14.09.2011 Arbeitsrecht

VwGH: Erfüllung der Beschäftigungspflicht gem § 5 BEinstG – zur Frage, ob eine begünstigte Behinderte, die sich nach dem MSchG in Karenz befindet, auf die Pflichtzahl anzurechnen ist

Eine begünstigte Behinderte ist auch für die Zeit ihrer Karenz nach dem MSchG auf die Pflichtzahl gem § 5 Abs 1 BEinstG anzurechnen


Schlagworte: Behinderteneinstellungsrecht, Erfüllung der Beschäftigungspflicht, Anrechnung auf die Pflichtzahl, Mutterschutz, Karenz
Gesetze:

§ 5 BEinstG, § 15 MSchG

GZ 2009/11/0223, 28.06.2011

 

VwGH: Nach § 5 Abs 1 BEinstG sind auf die Pflichtzahl (ua) die "beschäftigten und nach § 7 entlohnten begünstigten Behinderten" anzurechnen.

 

Der VwGH hat sich im Erkenntnis vom 18. Oktober 1990, 90/09/0075, mit der Frage auseinander gesetzt, ob ein begünstigter Behinderter auf die Pflichtzahl auch in jenem Zeitraum anzurechnen ist, in dem er wegen Erkrankung Leistungen aus der Sozialversicherung (Krankengeld) bezieht und nicht ein vom Dienstgeber unmittelbar auszuzahlendes Entgelt. Der VwGH hat diese Frage bejaht und dazu ausgeführt:

 

„Anders als in dem angeführten Vorerkenntnis ist im Beschwerdefall die Frage strittig, ob ein Dienstgeber (die Bf) seine aus den §§ 1 Abs 1 und 5 Abs 1 BEinstG resultierende Beschäftigungspflicht auch zu jenen Stichzeitpunkten erfüllt, in denen ein bei ihm eingestellter begünstigter Behinderter ausschließlich Leistungen aus der Sozialversicherung (hier: Krankengeld gem den §§ 138 ff ASVG) bezieht und nicht ein vom Dienstgeber unmittelbar auszuzahlendes Entgelt.

 

Nach § 1 Abs 1 BEinstG erfüllt der Dienstgeber seine Beschäftigungspflicht, wenn er die erforderliche Zahl von begünstigten Behinderten 'einstellt'. Hier ist (im Gegensatz zu § 4 Abs 1) von Entgelt nicht die Rede, es genügt der - im Beschwerdefall unbestritten zwischen der Bf und dem begünstigten Behinderten A abgeschlossene und auch in den Monaten September bis Dezember 1988 aufrechte - Arbeitsvertrag. Um den Erfordernissen der Anrechnung auf die Pflichtzahl gerecht zu werden, genügt es aber nicht, dass der begünstigte Behinderte 'eingestellt' und damit beim Dienstgeber beschäftigt wird, es tritt vielmehr nach § 5 Abs 1 BEinstG dazu noch die Voraussetzung, dass der begünstigte Behinderte nach § 7 BEinstG entlohnt wird. Dies ist dann der Fall, wenn dem Behinderten im Arbeitsvertrag der gleiche Entgeltsanspruch gesichert wird wie einem gesunden Dienstnehmer. Dass im Beschwerdefall der zwischen der Bf und dem begünstigten Behinderten abgeschlossene Arbeitsvertrag diesem Diskriminierungsverbot des § 7 BEinstG widersprochen hätte, ist weder aktenkundig noch von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vorgebracht worden.

 

Der VwGH folgt mit diesen Erwägungen der bereits von MARHOLD (Beschäftigungspflicht und Entgeltanspruch nach dem BEinstG, RdW 1990/2, S 51 f) vertretenen und veröffentlichten Auffassung. Da sich daraus ergibt, dass der Wegfall des Entgeltanspruches des begünstigten Behinderten für die Zeit seines Krankengeldbezuges die Anrechenbarkeit dieses Behinderten auf die Pflichtzahl unberührt lässt, hat die belangte Behörde dadurch, dass sie der Bf infolge des Krankengeldbezuges des A in den Monaten September bis Dezember 1988 und einer daraus abgeleiteten Nichtanrechenbarkeit dieses begünstigten Behinderten auf die Pflichtzahl entsprechende Ausgleichstaxenbeträge für das Jahr 1988 vorschrieb, die Rechtslage verkannt."

 

Im Erkenntnis vom 24. Mai 2011, 2008/11/0012, hatte der VwGH zu beurteilen, ob ein begünstigter Behinderter, der im Einvernehmen mit dem Dienstgeber wegen des Bezuges einer befristeten Berufungsunfähigkeitspension karenziert worden war, auf die Pflichtzahl gem § 5 Abs 1 BEinstG anzurechnen sei. Der VwGH hat dies, unter Bezugnahme auf das zitierte Erkenntnis, 90/09/0075, im konkreten Fall verneint, weil der begünstigte Behinderte - im Einvernehmen mit dem Dienstgeber - von den wechselseitigen Verpflichtungen aus dem Dienstvertrag entbunden wurde und weil daher die Erbringung der Dienstleistungen dieses begünstigten Behinderten nicht aus in der Sphäre des Dienstnehmers gelegenen Gründen verhindert wurde.

 

Im vorliegenden Beschwerdefall geht es um die Frage, ob eine begünstigte Behinderte, die sich im fraglichen Zeitraum nach dem MSchG in Karenz befand, auf die Pflichtzahl anzurechnen ist. Der vorliegende Fall unterscheidet sich daher im entscheidenden Punkt von jenem Sachverhalt, der dem zitierten hg Erkenntnis, 2008/11/0012, zu Grunde lag, weil gegenständlich die Erbringung der Dienstleistungen durch die begünstigte Behinderte aus in ihrer Sphäre gelegenen Gründen verhindert wurde.

 

Vielmehr ist der vorliegende Fall mit jenem des zitierten Erkenntnisses, 90/09/0075, vergleichbar:

 

Nach den (oben wiedergegebenen) Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses kommt es nämlich bei § 5 Abs 1 BEinstG einerseits darauf an, dass der Begünstigte "eingestellt" (§ 1 Abs 1 BEinstG) bzw "beschäftigt" (§ 5 Abs 1 BEinstG) ist, was nach dem Erkenntnis dann der Fall ist, wenn ein aufrechter Arbeitsvertrag vorliegt. Hinzu tritt die Voraussetzung, dass der begünstigte Behinderte "nach § 7 BEinstG entlohnt" wird, was nach den Ausführungen des VwGH (im Hinblick auf die letztgenannte Bestimmung) dann der Fall ist, wenn dem Behinderten im Arbeitsvertrag der gleiche Entgeltanspruch "gesichert" ist wie einem nicht behinderten Arbeitnehmer.

 

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass der Arbeitsvertrag der begünstigten Behinderten N im hier maßgebenden Kalenderjahr 2007 aufrecht war (der Umstand, dass N während der Karenz keine tatsächlichen Arbeitsleistungen erbracht hat, ist nach der zitierten Judikatur unerheblich) und dass ihr unbeschadet ihrer Karenz im Arbeitsvertrag ein Entgeltanspruch in jener Höhe "gesichert" war, wie er auch einem nicht behinderten Arbeitnehmer zusteht. Außerdem wurde die Erbringung der Dienstleistungen aus in der Sphäre der begünstigten Behinderten N. gelegenen Gründen verhindert.

 

Wie im Erkenntnis 90/09/0075 ist daher auch hier davon auszugehen, dass der Wegfall der Entgeltszahlungen des Dienstgebers an die begünstigte Behinderte für die Zeit des Kindergeldbezuges die Anrechenbarkeit dieser Behinderten auf die Pflichtzahl unberührt ließ. Auf das Argument der belangten Behörde, der Krankheitsfall sei weniger leicht vorhersehbar als die Zeit der Karenz nach dem MSchG, kommt es nach dem Gesagten nicht an.

 

Vor diesem Hintergrund ist die bf Partei im Recht, wenn sie meint, im Rahmen der Vorschreibung der Ausgleichstaxe wäre die begünstigte Behinderte N auch für die Zeit ihrer Karenz nach dem MSchG auf die Pflichtzahl gem § 5 Abs 1 BEinstG anzurechnen gewesen.