28.09.2011 Verkehrsrecht

VwGH: Entziehung der Lenkberechtigung mangels gesundheitlicher Eignung wegen Alkoholabhängigkeit und Erwerb einer tschechischen Lenkberechtigung ein Jahr später

Bei diesem Sachverhalt kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie den begründeten Verdacht hatte, dass mit dem Erwerb der tschechischen Lenkberechtigung die in Österreich angeordnete Entziehung umgangen werden sollte; vor diesem Hintergrund und weil die Entziehung für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung erfolgt war, erwiesen sich aber auch die dem Aufforderungsbescheid nach § 24 Abs 4 FSG zugrunde liegenden Bedenken der Behörde hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung des Bf zum Lenken von Kraftfahrzeugen noch immer als begründet iSd stRsp des VwGH


Schlagworte: Führerscheinrecht, Entziehung der Lenkberechtigung, ausländische Lenkberechtigung, Alkoholabhängigkeit, gesundheitliche Eignung, Bedenken, amtsärztliche Untersuchung
Gesetze:

§ 30 FSG, § 24 Abs 4 FSG

GZ 2009/11/0089, 28.04.2011

 

Mit rechtskräftigem Bescheid war dem Bf aufgrund der von ihm absolvierten Untersuchungen wegen Alkoholabhängigkeit die Lenkberechtigung mangels gesundheitlicher Eignung entzogen worden. Ein Jahr später erwarb der Bf in der Tschechischen Republik eine neue Lenkberechtigung.

 

VwGH: Die belangte Behörde war vor dem Hintergrund der beim Bf im Jahr 2007 diagnostizierten Alkoholabhängigkeit aufgrund des § 30 Abs 3 letzter Satz FSG entgegen der in der Vorstellung gegen den Aufforderungsbescheid vom 1. April 2009 geäußerten Ansicht berechtigt, dem Bf iSd § 24 Abs 4 FSG eine amtsärztliche Untersuchung aufzutragen. In diese Richtung deuten auch die Erläuterungen zu § 30 Abs 3 letzter Satz FSG, wo es heißt:

 

"… In diesem Zusammenhang wird auch ausdrücklich die nochmalige Entziehung der (in anderen EWR-Staaten erteilten) Lenkberechtigung für zulässig erklärt, wenn zum (ausländischen) Erteilungszeitpunkt die Lenkberechtigung in Österreich wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit entzogen war.

 

Bei Entziehungen wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung soll dies aber nicht jedenfalls der Fall sein, da in diesem Bereich (entgegen den Fällen der Verkehrsunzuverlässigkeit) grundsätzlich das Gebot der gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine der EU-Führerscheinrichtlinie entgegensteht. In diesen Fällen soll eine neuerliche Entziehung nur dann möglich sein, wenn ein neuerliches amtsärztliches Gutachten vorliegt, das die nach wie vor bestehende gesundheitliche Nichteignung bestätigt und die Behörde begründeten Verdacht hat, dass mit dem Erwerb der ausländischen Lenkberechtigung die in Österreich angeordnete Entziehung umgangen werden soll. Diese zuletzt genannte Anforderung ist etwas unbestimmt und lässt gewissen Ermessensspielraum für die Behörde offen, was aber erforderlich ist, um eine sachgerechte Beurteilung im Einzelfall zu ermöglichen."

 

Nach der Aktenlage war das amtsärztliche Gutachten vom 2. März 2007 vorwiegend deshalb negativ ausgefallen, weil der Bf, bei dem Alkoholabhängigkeit angenommen worden war, die vom Amtsarzt am 22. November 2006 angefragten alkoholspezifischen Laborparameter nicht vorgelegt hatte. Den aufgrund dieses amtsärztlichen Gutachtens ergangenen erstinstanzlichen Entziehungsbescheid vom 12. März 2007 hatte der Bf nicht bekämpft, sondern ein Jahr später in der Tschechischen Republik eine neue Lenkberechtigung erworben. Bei dieser Sachlage kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie den begründeten Verdacht hatte, dass mit dem Erwerb der tschechischen Lenkberechtigung die in Österreich angeordnete Entziehung umgangen werden sollte. Vor diesem Hintergrund und weil die Entziehung für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung erfolgt war, erwiesen sich aber auch die dem Aufforderungsbescheid vom 1. April 2009 zugrunde liegenden Bedenken der belangten Behörde hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung des Bf zum Lenken von Kraftfahrzeugen noch immer als begründet iSd stRsp des VwGH.

 

Der Bf bringt vor, für die Entscheidung über die Vorstellung gegen den Aufforderungsbescheid sei sein persönliches Erscheinen vor der Behörde nicht notwendig, da die Vorstellung bei Nichtbefolgung der Aufforderung nach § 24 Abs 4 FSG jedenfalls abzuweisen wäre. Dabei übersieht er jedoch, dass die belangte Behörde nach § 57 Abs 3 AVG aufgrund der Vorstellung das Ermittlungsverfahren einzuleiten hatte, um ein Außerkrafttreten des Mandatsbescheides zu verhindern. Nichts anderes brachte die belangte Behörde - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - mit der Bezeichnung des Gegenstands der Ladung als "Entscheidung über Vorstellung zum Bescheid nach § 24 Abs 4 FSG" zum Ausdruck.

 

In seiner Vorstellung hatte der Bf vorgebracht, seine gesundheitliche Lenkeignung sei von der tschechischen Behörde vor Erteilung der Lenkberechtigung "zweifellos" überprüft worden, und die Erteilungsvoraussetzungen seien "dieselben wie in § 3 Abs 1 des österreichischen Führerscheingesetzes" gewesen. Diese Behauptung war geeignet, bei der belangten Behörde Zweifel darüber entstehen zu lassen, ob ihre Bedenken gegen die gesundheitliche Eignung des Bf nach wie vor berechtigt waren. Sie konnte daher den Mandatsbescheid vom 1. April 2009, in dem sie zur Begründung ihrer Bedenken davon ausgegangen war, den tschechischen Behörden sei "die Alkoholproblematik" des Bf mangels Kenntnis seiner Vorgeschichte entgangen, nicht bestätigen, ohne ihm dazu gem § 45 Abs 3 AVG das Parteiengehör einzuräumen.

 

Insofern ist der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie im Rahmen des Ermittlungsverfahrens eine persönliche Kontaktaufnahme mit dem Bf für erforderlich erachtete, um - wie sie in der Gegenschrift ausführte - die Umstände der Erlangung des tschechischen Führerscheins und der gesundheitlichen Untersuchung in Tschechien von ihm zu erfahren. Da nur der Bf selbst von der tschechischen Behörde hinsichtlich seiner fachlichen und gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen überprüft worden war, konnte die belangte Behörde - entgegen der Beschwerdemeinung - auch zu Recht davon ausgehen, dass zur Erforschung des diesbezüglichen Sachverhalts ein Erscheinen des Rechtsvertreters nicht ausgereicht hätte.

 

Im vorliegenden Fall sollte somit durch ein Ermittlungsverfahren geklärt werden, ob die durch das Vorstellungsvorbringen erschütterten Bedenken der belangten Behörde gegen die gesundheitliche Lenkeignung des Bf nach wie vor begründet waren und sie daher berechtigten, einen Aufforderungsbescheid nach § 24 Abs 4 FSG zu erlassen. Damit unterscheidet sich diese Konstellation wesentlich von dem mit Erkenntnis vom 29. März 2011, 2009/11/0019, entschiedenen Fall, in dem ein Ladungsbescheid (auch) zu dem Zweck ergangen war, den Gesundheitszustand des Geladenen zu beurteilen, bevor noch begründete Bedenken gegen dessen gesundheitliche Eignung iSd FSG bestanden hatten.