19.10.2011 Verkehrsrecht

VwGH: Gesundheitliche Eignung gem § 8 FSG – amtsärztliches Gutachten und Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle

Stützt sich das amtsärztliche Gutachten auf die Stellungnahmen von verkehrspsychologischen Untersuchungsstellen, so hat es sich mit diesen Stellungnahmen - nachvollziehbar - auseinander zu setzen; Ausführungen einer verkehrspsychologischen Stellungnahme sind nicht schon deshalb, weil sie von einem Psychologen stammen, der näheren Beurteilung durch den ärztlichen Sachverständigen der Behörde sowie anderer Ärzte, insbesondere Fachärzte, entzogen


Schlagworte: Führerscheinrecht, gesundheitliche Eignung, amtsärztliches Gutachten, Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle
Gesetze:

§ 8 FSG

GZ 2009/11/0116, 28.04.2011

 

VwGH: Nach stRsp des VwGH ist gem § 24 Abs 4 erster Satz FSG im Falle des Fehlens der gesundheitlichen Eignung, zu der auch die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung zählt, auf Grund des Gutachtens eines Amtsarztes gem § 8 FSG die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen.

 

§ 8 FSG regelt in seinem Abs 2 die Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens auf Grund der Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle und ordnet im Abs 3 leg cit an, dass das ärztliche Gutachten "abschließend" auszusprechen hat, ob der Betreffende geeignet ist. Stützt sich das amtsärztliche Gutachten daher, wie gegenständlich, auf die Stellungnahmen von verkehrspsychologischen Untersuchungsstellen, so hat es sich mit diesen Stellungnahmen - nachvollziehbar - auseinander zu setzen.

 

Im Beschwerdefall ist der verkehrspsychologischen Stellungnahme zu entnehmen, dass sich beim Bf das Bild einer sozial äußerst verantwortungsvollen Person mit unterdurchschnittlichen Aggressivitätswerten ergebe, dass es jedoch deutliche Hinweise auf ein abhängiges Trinkverhalten gebe und Verharmlosungstendenzen bezüglich der früheren bzw aktuellen Konsumgewohnheiten "nicht ausgeschlossen" werden könnten. Es gebe Hinweise auf eine "Alkoholproblematik" sowie ein nur mangelndes Problembewusstsein bezüglich des Alkoholkonsums. Überdies wird - ohne nähere Begründung - ausgeführt, dass "derzeit ein enormes Risiko der Rückfälligkeit in frühere Konsummuster" bestehe, weshalb die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung nicht gegeben sei.

 

Aus dieser - wenngleich unzureichend begründeten und primär aus Mutmaßungen bestehenden - verkehrspsychologischen Stellungnahme ergaben sich für den Amtsarzt der Erstbehörde immerhin Anhaltspunkte für eine Alkoholabhängigkeit des Bf oder zumindest eine mangelnde Fähigkeit, den Konsum von Alkohol so weit einschränken zu können, dass er beim Lenken von Kraftfahrzeugen nicht beeinträchtigt ist (§ 14 Abs 1 FSG-GV).

 

Das Gutachten des Amtsarztes vom 8. April 2009 spricht zwar davon, dass sich aus dem klinischen Gesamteindruck kein Hinweis auf eine Alkoholkrankheit ergebe, übernimmt aber dennoch, ohne dies seinerseits zu begründen, die diesbezüglichen Ausführungen der verkehrspsychologischen Stellungnahme.

 

Nachdem der Bf eine Stellungnahme eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vorgelegt hatte, derzufolge der Bf frei von psychischen Erkrankungen oder schweren Persönlichkeitsstörungen von Krankheitswertigkeit sei und eine beschränkte Eignung zum Lenken von Kfz aufweise (unter dem Vorbehalt der Vorlage periodischer nervenfachärztlicher Kontrollbefunde unter Einbeziehung aktueller GGT-Werte), bestätigte der Amtsarzt in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 5. Mai 2009 zwar, dass keine Alkoholkrankheit vorliege, hielt aber unter Hinweis darauf, dass die Ausführungen der psychologischen Stellungnahme zum Rückfallrisiko psychologische und nicht medizinische Feststellungen seien, die durch die Ausführungen des psychiatrischen Facharztes nicht entkräftet worden seien, an seiner ursprünglichen Einschätzung fest.

 

Mit diesen Ausführungen verkennt aber der Amtsarzt ebenso wie die den angefochtenen Bescheid darauf abstützende belangte Behörde, dass die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung einen Teil der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kfz darstellt und die Ausführungen einer verkehrspsychologischen Stellungnahme nicht schon deshalb, weil sie von einem Psychologen stammen, der näheren Beurteilung durch den ärztlichen Sachverständigen der Behörde sowie anderer Ärzte, insbesondere Fachärzte, entzogen sind. Es wäre vielmehr geboten gewesen, sich mit den Ausführungen der verkehrspsychologischen Stellungnahme, die auf eine mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung abzielten, im Detail auseinanderzusetzen und in diese Auseinandersetzung auch die abweichenden Beweisergebnisse der vom Bf vorgelegten fachärztlichen Stellungnahme, die von einer Einsicht des Bf in sein bisheriges Trinkverhalten ausgeht, einzubeziehen. Insbesondere wäre es geboten gewesen zu begründen, weshalb nicht, wie vom Facharzt angenommen, mehr als ein halbes Jahr nach der letzten aktenkundigen Alkoholfahrt, im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde eine zumindest eingeschränkte gesundheitliche Eignung des Bf vorliege.