19.10.2011 Sonstiges

VwGH: Ausschluss von der Schule gem § 49 SchUG - dauernde Gefährdung der Sittlichkeit (von Mitschülern)

Der zweite Tatbestand des § 49 Abs 1 SchUG trägt der Behörde auf, eine Prognoseentscheidung zu treffen; dabei hat sie die Frage zu lösen, ob in Zukunft ein Verhalten des Schülers zu befürchten ist, das eine Gefährdung der genannten Rechtsgüter in Ansehung (insbesondere) anderer Schüler darstellt; hat der betreffende Schüler ein seiner Art und Intensität nach schwer wiegendes, gegen die im zweiten Tatbestand des § 49 Abs 1 SchUG genannten Rechtsgüter gerichtetes Fehlverhalten zu vertreten, so ist - auch wenn es sich um den ersten derartigen Verstoß handeln sollte - mit dem Ausschluss vorzugehen, es sei denn, dass - insbesondere in der Persönlichkeitsstruktur des Betreffenden begründete - Umstände vorliegen, die mit einiger Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass sich Derartiges nicht wiederholen werde


Schlagworte: Schulunterrichtsrecht, Ausschluss eines Schülers, dauernde Gefährdung der Sittlichkeit (von Mitschülern)
Gesetze:

§ 49 SchUG

GZ 2006/10/0187, 16.06.2011

 

Die belangte Behörde führte aus, sie gehe davon aus, dass der Bf ein Foto unter seinen Mitschülern verbreitet habe, auf dem "das Einführen der Zahnbürste eines Schulkollegen des Bf in den After des Bf dargestellt" worden sei.

 

"Das Mitwirken an der Anfertigung eines - wenn auch möglicherweise gestellten - Fotos, auf dem das Einführen der Zahnbürste eines Mitschülers in den After gezeigt werde, und das anschließende Verbreiten dieses Fotos unter Mitschülern" erfülle nach Ansicht der belangten Behörde den zweiten Tatbestand des § 49 Abs 1 SchUG, weil "durch die damit verbundene Erniedrigung des betroffenen Mitschülers eine dauernde Gefährdung der Sittlichkeit des betroffenen Schülers sowie der Mitschüler, an die das Foto übermittelt" werde, bewirkt werde.

 

Die Beschwerde macht geltend, der zweite Tatbestand des § 49 Abs 1 SchUG trage nach stRsp des VwGH der belangten Behörde auf, eine Prognoseentscheidung zu treffen. Dabei habe die Behörde die Frage zu lösen, ob in Zukunft ein Verhalten des Schülers zu befürchten sei, das eine Gefährdung der genannten Rechtsgüter in Ansehung anderer Schüler darstelle. Eine derartige Prognoseentscheidung sei im angefochtenen Bescheid nicht getroffen worden.

 

VwGH: Nach der Rsp des VwGH trägt der zweite Tatbestand des § 49 Abs 1 SchUG der Behörde auf, eine Prognoseentscheidung zu treffen; dabei hat sie die Frage zu lösen, ob in Zukunft ein Verhalten des Schülers zu befürchten ist, das eine Gefährdung der genannten Rechtsgüter in Ansehung (insbesondere) anderer Schüler darstellt. Diese Entscheidung ist auf der Grundlage der im vorliegenden Zusammenhang relevanten Aspekte der Persönlichkeitsstruktur des betreffenden Schülers zu treffen; dabei ist besonderes Augenmerk auf solche in der Vergangenheit gelegenen Verhaltensweisen zu legen, die Rückschlüsse auf jene Eigenschaften zulassen, von denen es abhängt, ob vom betreffenden Schüler in Zukunft eine Gefährdung der Sittlichkeit, der körperlichen Sicherheit und des Eigentums anderer Schüler ausgehen kann. In dieser Hinsicht können uU auch einzelne Vorfälle aussagekräftig sein.

 

Hat der betreffende Schüler ein seiner Art und Intensität nach schwer wiegendes, gegen die im zweiten Tatbestand des § 49 Abs 1 SchUG genannten Rechtsgüter gerichtetes Fehlverhalten zu vertreten, so ist - auch wenn es sich um den ersten derartigen Verstoß handeln sollte - mit dem Ausschluss vorzugehen, es sei denn, dass - insbesondere in der Persönlichkeitsstruktur des Betreffenden begründete - Umstände vorliegen, die mit einiger Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass sich Derartiges nicht wiederholen werde. Die Schulbehörden haben auf das Wohl aller Schüler zu achten; die Bedachtnahme auf das Wohl der Mitschüler des Betreffenden verbietet es, mit dem Ausschluss desjenigen, dem ein gravierendes, gegen die besonders geschützten Rechtsgüter gerichtetes Fehlverhalten vorzuwerfen ist, zuzuwarten, bis die "Dauerhaftigkeit" der vom Betreffenden ausgehenden Gefährdung durch weitere Vorfälle erwiesen ist.

 

Ob dem Bf ein seiner Art und Intensität nach schwer wiegendes, gegen die im zweiten Tatbestand des § 49 Abs 1 SchUG genannten Rechtsgüter gerichtetes Fehlverhalten vorzuwerfen ist, kann im Beschwerdefall dahingestellt bleiben. Jedenfalls reichen die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen nicht aus, eine Beurteilung zu tragen, wonach vom Bf - gemessen an seiner Persönlichkeitsstruktur - eine "dauernde Gefährdung der Sittlichkeit von Mitschülern" ausgehe. Die belangte Behörde hat - abgesehen vom Hinweis auf das Mitwirken an der Anfertigung des möglicherweise gestellten Fotos und dessen Verbreiten - keine Feststellungen getroffen, auf deren Grundlage eine überprüfbare Beurteilung der Persönlichkeitsstruktur des Bf vorgenommen werden könnte. Der erwähnte Vorfall allein kann aber den Schluss nicht tragen, dass vom Bf eine dauernde Gefährdung der Sittlichkeit seiner Mitschüler ausgehe.

 

Die Ausführungen der belangten Behörde zur Prognoseentscheidung in der Gegenschrift sind nicht geeignet, eine fehlende Bescheidbegründung zu ersetzen.

 

Auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts ist daher der Ausschlussgrund des § 49 Abs 1 2. Tatbestand SchUG nicht als verwirklicht anzusehen.