02.11.2011 Sozialrecht

VwGH: Anspruch auf Arbeitslosengeld gem § 7 AlVG eines Selbständigen

Nach § 12 Abs 1 AlVG führt nur eine solche Beendigung der Erwerbstätigkeit iSd § 2 Abs 1 Z 1 GSVG zur Arbeitslosigkeit, die auch zur Beendigung der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung iSd Ausnahmetatbestände des § 4 Abs 1 GSVG führt, dh dass sie mit einer Zurücklegung des Gewerbescheins, mit einer Ruhendstellung des Gewerbescheins oder mit einer Verpachtung des Betriebes einhergehen muss


Schlagworte: Arbeitslosenversicherungsrecht, selbständig Erwerbstätiger, Anspruch auf Arbeitslosengeld, Arbeitslosigkeit, Pensionsversicherung, Gewerbeschein
Gesetze:

§ 7 AlVG, § 12 AlVG, § 2 GSVG, § 4 GSVG

GZ 2009/08/0195, 07.09.2011

 

VwGH: In den Materialien zur Regierungsvorlage zur Änderung des § 12 AlVG heißt es:

 

"Die Einbeziehung selbständig Erwerbstätiger in die Arbeitslosenversicherung erfordert eine neue Definition der Arbeitslosigkeit. Es kann nicht mehr ausschließlich auf die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses abgestellt werden, sondern muss jede Beendigung einer selbständigen oder unselbständigen Beschäftigung erfasst werden. Wie bisher soll eine andere geringfügige selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit der Annahme von Arbeitslosigkeit nicht entgegenstehen, soweit dadurch die Verfügbarkeit gem § 7 Abs 3 Z 1AlVG nicht beeinträchtigt ist. Die entsprechende Regelung im § 12 Abs 6 AlVG bleibt unverändert bestehen. Die für die Arbeitslosenversicherung maßgebliche versicherungspflichtige (oder der Versicherungspflicht in der Pensionsversicherung unterliegende) Erwerbstätigkeit muss jedoch eingestellt und nicht nur reduziert werden. Andernfalls liegt keine Arbeitslosigkeit vor.

 

Besteht eine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung ausschließlich wegen der Gebührlichkeit von Kündigungsentschädigung oder einer Urlaubsersatzleistung weiter, so soll diese wie bisher nur zum Ruhen des Leistungsanspruches gem § 16 Abs 1 lit k und l führen und der Annahme von Arbeitslosigkeit nicht entgegen stehen."

 

Der Bf vermeint, dass § 12 Abs 1 AlVG iZm dem (unverändert gebliebenen) Abs 6 dieser Bestimmung dahingehend auszulegen sei, dass "lediglich die Arbeitslosenversicherungspflicht begründende und zu einem Leistungsanspruch führende unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit beendet" sein müsse und "auf Grund dieser Tätigkeit keine Pflichtversicherung mehr bestehen" dürfe; dafür spreche auch der Satz in den (zitierten) Materialien zur Regierungsvorlage: "Die für die Arbeitslosenversicherung maßgebliche versicherungspflichtige (oder der Versicherungspflicht in der Pensionsversicherung unterliegende) Erwerbstätigkeit muss jedoch eingestellt und nicht nur reduziert werden." Seine neben der anspruchsbegründenden (unselbständigen) Tätigkeit ausgeübte Erwerbstätigkeit, die in den letzten Jahren überwiegend zu Verlusten geführt habe, falle unter § 12 Abs 6 lit c AlVG und könne somit das Vorliegen von Arbeitslosigkeit iSd § 12 Abs 1 leg cit nicht hindern.

 

Dem ist Folgendes zu entgegnen:

 

Anspruch auf Arbeitslosengeld hat gem § 7 AlVG nur, wer arbeitslos ist. § 12 leg cit definiert, was unter "Arbeitslosigkeit" zu verstehen ist. Bis 31. Dezember 2008 galt als arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat. Diese Definition trug dem Umstand Rechnung, dass die Arbeitslosenversicherung auf die unselbständig Erwerbstätigen, also die aus einer (anwartschaftsbegründenden) Beschäftigung ausscheidenden Arbeitnehmer ausgerichtet war.

 

Seit 1. Jänner 2009 ist mit der Novelle zum AlVG BGBl I Nr 104/2007 die Arbeitslosenversicherung auch für Selbständige geöffnet (siehe auch § 3 AlVG). In der Neufassung von § 12 Abs 1 leg cit ist das Vorliegen von Arbeitslosigkeit an drei kumulative Voraussetzungen geknüpft: Beendigung einer (unselbständigen oder selbständigen) Erwerbstätigkeit (Z 1), kein Unterliegen der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung - mit Ausnahme der Zeiträume nach § 16 Abs 1 lit k und l (Z 2) und keine Ausübung einer neuen oder weiteren (unselbständigen oder selbständigen) Erwerbstätigkeit (Z 3).

 

Nach § 12 Abs 1 AlVG in der hier maßgebenden Fassung führt nur eine solche Beendigung der Erwerbstätigkeit iSd § 2 Abs 1 Z 1 GSVG zur Arbeitslosigkeit, die auch zur Beendigung der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung iSd Ausnahmetatbestände des § 4 Abs 1 GSVG führt, dh dass sie mit einer Zurücklegung des Gewerbescheins, mit einer Ruhendstellung des Gewerbescheins oder mit einer Verpachtung des Betriebes einhergehen muss.

 

Im gegenständlichen Fall ist unstrittig, dass der Bf seit dem Jahr 1982 auf Grund seiner selbständigen Erwerbstätigkeit nach dem GSVG (aufrecht) pensionsversichert ist. Zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Arbeitslosengeld hatte er seine (zuletzt bestehenden) Gewerbeberechtigungen weder zurückgelegt noch ruhend gestellt.

 

Schon auf Grund dessen sind die Voraussetzungen nach § 12 Abs 1 AlVG nicht gegeben, wonach (auch) keine selbständige Tätigkeit mehr (weiter) ausgeübt werden und keine Pensionsversicherung bestehen darf. Die Ausnahmeregelungen nach Abs 6 lit c dieser Bestimmung können daher seit 1. Jänner 2009 nur für nach Eintritt der Arbeitslosigkeit neu aufgenommene, nicht pensionsversicherte Tätigkeiten geltend gemacht werden.

 

Darüber hinaus kann auch der Beschwerdeargumentation in Bezug auf Z 2 dieser Bestimmung und dem dazu aus dem Zusammenhang gerissenen Satz aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage nicht gefolgt werden, zumal vor dem Hintergrund der gesamten Neufassung von § 12 Abs 1 AlVG dessen Z 2 so zu verstehen ist, dass zum Vorliegen der Arbeitslosigkeit - mit Ausnahme der Zeiträume von § 16 Abs 1 lit k und l AlVG - auch keine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung mehr bestehen darf.