09.11.2011 Wirtschaftsrecht

VwGH: Prüfung der Angemessenheit der Preise – vertiefte Angebotsprüfung gem § 125 BVergG 2006 – Ausscheiden von Angeboten auf Grund nicht plausibler Zusammensetzung des Gesamtpreises iSd § 129 Abs 1 Z 3 BVergG 2006

Dieser Tatbestand ist auch dann erfüllt, wenn Teilpreise (§ 125 Abs 3 Z 2 BVergG 2006; somit Einheitspreise in wesentlichen Positionen) nicht plausibel sind, da diese zu einer nicht plausiblen Zusammensetzung des Gesamtpreises führen


Schlagworte: Vergaberecht, Prüfung der Angemessenheit der Preise, vertiefte Angebotsprüfung, Ausscheiden von Angeboten, nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises / Teilpreises, betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit, Vergabekontrollbehörde, Nachprüfungsverfahren
Gesetze:

§ 125 BVergG 2006, § 129 BVergG 2006

GZ 2007/04/0102, 28.09.2011

 

VwGH: Der Auftraggeber hat gem § 129 Abs 1 Z 3 BVergG 2006 ein Angebot auszuscheiden, das eine durch eine vertiefte Angebotsprüfung festgestellte nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises (zB spekulative Preisgestaltung) aufweist. Wie die belangte Behörde zutreffend ausführt, ist dieser Tatbestand nach den betreffenden Gesetzesmaterialien auch dann erfüllt, wenn Teilpreise (§ 125 Abs 3 Z 2 leg cit; somit Einheitspreise in wesentlichen Positionen) nicht plausibel sind, da diese zu einer nicht plausiblen Zusammensetzung des Gesamtpreises führen.

 

Im vorliegenden Beschwerdefall ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass die Einheitspreise für die Zweischicht-Betondecke ungewöhnlich niedrig sind. Sie konnte sich dabei nicht nur auf die Angaben des für den Auftraggeber im Rahmen der Angebotsprüfung tätig gewordenen Ziviltechnikers stützen, sondern insbesondere auch auf die Aussagen des Sachverständigen, wonach sich beim Unterbeton (als Teil der Zweischicht-Betondecke) ein Fehlbetrag von EUR 767.000,-- ergebe. Beim Einheitspreis der Zweischicht-Betondecke handelt es sich nach den im Akt befindlichen Ausschreibungsunterlagen um eine vom Auftraggeber als wesentlich gekennzeichnete Position (§ 125 Abs 3 Z 2 iVm § 80 Abs 4 BVergG 2006). Vor diesem Hintergrund hat die belangte Behörde nicht nur zutreffend angenommen, sondern entgegen dem Beschwerdevorbringen auch ausreichend begründet, dass gegenständlich zufolge § 125 Abs 3 Z 2, Abs 4 und 5 BVergG 2006 eine vertiefte Angebotsprüfung seitens des Auftraggebers dahin vorzunehmen war, ob der Einheitspreis für die Zweischicht-Betondecke betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar ist.

 

Der VwGH hat zur vertieften Angebotsprüfung nach § 125 BVergG 2006 festgehalten, dass es Aufgabe des Auftraggebers ist, die Angemessenheit der Preise (gegebenenfalls im Rahmen einer vertieften Angebotsprüfung) zu beurteilen. Die Vergabekontrollbehörde hat nicht nur zu prüfen, ob die betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit von sachkundigen Personen auf Grund ausreichend detaillierter Unterlagen geprüft worden ist. Sie hat vielmehr - ebenso wie der Auftraggeber bei der vertieften Angebotsprüfung - unter Berücksichtigung der auch dem Auftraggeber zur Verfügung gestandenen Unterlagen die Preisgestaltung auf ihre betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit in der Regel aus sachverständiger Sicht zu prüfen, wobei im Einzelnen die in § 125 Abs 4 Z 1 bis 3 BVergG 2006 genannten Kriterien maßgeblich sind. Da es sich hiebei um eine Plausibilitätsprüfung handelt, muss zweifellos nicht die gesamte Kalkulation des Bieters minutiös nachvollzogen, sondern nur - grob - geprüft werden, ob ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen kann.

 

Soweit die Bf meint, sie habe den niedrigen Einheitspreis - allerdings erst im Vergabekontrollverfahren - mit dem Bezug von Zement aus ihrem eigenen Produktionsbetrieb erklärt, so ist ihr zu entgegnen, dass die Vergabekontrollbehörde nach der Rsp zwar ebenso wie der Auftraggeber die Preisgestaltung auf ihre betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit zu prüfen hat, dies aber unter Berücksichtigung der dem Auftraggeber zur Verfügung gestandenen Unterlagen. Die belangte Behörde hatte daher im Nachprüfungsverfahren die betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit des Einheitspreises für die Zweischicht-Betondecke auf der Grundlage der im Vergabeverfahren gegenüber der Auftraggeberin abgegebenen Erklärungen der Bf zu beurteilen (somit auch auf der Grundlage des Prüfberichts, wonach der Zement im Werk der L AG hergestellt werde) und damit auf neue, im Nachprüfungsverfahren erstmals vorgebrachte Erklärungen betreffend die Plausibilität des Preises nicht Bedacht zu nehmen. Dies ergibt sich abgesehen von der Rsp auch aus § 125 Abs 5 BVergG 2006, wonach im Zuge der vertieften Angebotsprüfung der Auftraggeber eine verbindliche Erklärung zu verlangen hat und der Auftraggeber anschließend eingegangene Erläuterungen und Nachweise des Bieters bei der Prüfung der Erklär- und Nachvollziehbarkeit des Preises zu berücksichtigen hat. Dieser Bestimmung stünde es entgegen, wenn der Bieter die tatsächliche Erklärung für die Nachvollziehbarkeit des konkret überprüften Preises im Vergabeverfahren verschweigen und erst im Zuge eines allfälligen Nachprüfungsverfahrens vor der belangten Behörde preisgeben könnte, weil es dann dem Bieter überlassen bliebe, ob er eine vertiefte Angebotsprüfung schon vor dem Auftraggeber oder erst vor der Behörde ermöglicht, er also das in § 125 Abs 5 BVergG 2006 umschriebene Verfahren vom Auftraggeber auf die Behörde überwälzt. Daher hat es der VwGH im Erkenntnis vom 22. Juni 2011, 2011/04/0011, in einem Fall, in dem der Auftraggeber eine vertiefte Angebotsprüfung hätte durchführen müssen, dies aber unterlassen hat, für rechtmäßig angesehen, dass die Behörde die Zuschlagsentscheidung für nichtig erklärte, weil es Aufgabe des Auftraggebers (und nicht der Behörde) sei, die vertiefte Angebotsprüfung durchzuführen.