23.11.2011 Sonstiges

VwGH: Verletzung des ORF-G iZm Werbung – ORF als Koproduzent verantwortlich?

Der in der Rsp entwickelte objektive Maßstab, nach dem zu beurteilen ist, ob entgeltliche Werbung vorliegt, hat das Ziel des Gesetzgebers vor Augen, den ORF zu einer insbesondere im Interesse der Fernsehzuseher gelegenen transparenten Gestaltung der in seinem Programm gezeigten Werbung anzuhalten; er bringt es mit sich, dass von einer "Vergabe" von Werbezeiten durch den ORF auch dann gesprochen werden kann, wenn die Werbung in einem vom ihm (ko)produzierten Programm ohne vertragliche Vereinbarung mit dem beworbenen Unternehmen stattgefunden hat und dem ORF dafür kein Entgelt oder eine andere Gegenleistung zugeflossen ist (die werbliche Darstellung aber nach der Verkehrsauffassung üblicherweise nur gegen Entgelt erfolgen würde)


Schlagworte: ORF, Werbung, Entgelt, Koproduzent
Gesetze:

§ 14 ORF-G, § 13 ORF-G aF

GZ 2011/03/0019, 08.09.2011

 

Die bf Partei gesteht zu, dass die gegenständliche Darstellung des Hauptpreises eines Gewinnspiels aufgrund der dazu getätigten Aussagen des Sendungsmoderators am Maßstab der einschlägigen Rsp werblich gewesen sei. Sie rügt aber, dass die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid dem ORF zu Unrecht die Aussagen des Sendungsmoderators zugerechnet und ohne tragfähige Begründung eine dem ORF zu Gute kommende Entgeltlichkeit angenommen habe.

 

Gegen die Zurechnung der Werbung an den ORF bringt die Beschwerde vor, dass dem ORF aufgrund des mit dem ZDF abgeschlossenen Koproduktionsvertrag auf die Sendungsgestaltung nur insofern Einfluss zugekommen sei, als der ORF österreichische Wettkandidaten habe suchen dürfen und er teilweise eine Mitbestimmungsmöglichkeit bei der Auswahl der Talkgäste oder der in der Sendung auftretenden Musikgruppen gehabt habe. Im Übrigen sei das ZDF aber federführender Partner gewesen und habe für die gesamte künstlerische und technische Durchführung der Sendung verantwortlich gezeichnet und die Vertriebserlöse vereinnahmt. Der Sendungsmoderator sei - notorisch - kein Angestellter des ORF, sondern stehe zum ZDF in Rechtsbeziehung. Der ORF habe daher nach dem Koproduktionsvertrag weder Einfluss auf die konkrete Sendungsgestaltung noch auf das Agieren des Moderators gehabt. Es verfange auch nicht, wenn die belangte Behörde meine, der ORF hätte sich einen entsprechenden Einfluss auf die Sendungsgestaltung sichern können, weshalb ihm die werblichen Aussagen des Moderators zurechenbar wären. Ungeachtet der Frage, ob es diese Zurechnungsfigur im Rahmen des § 13 ORF-G (aF) überhaupt gebe, überschätze die belangte Behörde die Möglichkeiten des ORF deutlich: Es könne nicht ernsthaft angenommen werden, dass der ORF dem ZDF die Durchführung einer nach deutschem Rundfunkrecht zulässigen, für das ZDF infolge des Herkunftslandprinzips der Fernseh-Richtlinie auch in Österreich gedeckten und ausschließlich deutschen Sportlern zu Gute kommenden Aktion untersagen oder deren Gestaltung auch nur irgendwie hätte beinflussen können.

 

Im Übrigen habe die belangte Behörde zu Unrecht angenommen, dass dem ORF die Entgelte für die strittige Werbung mittelbar zu Gute gekommen seien. Die belangte Behörde räume ein, dass aus dem zwischen dem ORF und dem ZDF bestehenden Koproduktionsvertrag keine spezifisch auf die Sendung bezogene vertragliche Entgeltbeziehung im Hinblick auf den vorliegenden Sachverhalt belegbar sei. Der Produktionskostenbeitrag (des ORF) sei ein Fixbetrag gewesen, der nach den Feststellungen der belangten Behörde von den tatsächlichen Produktionskosten des ZDF und/oder dessen Einnahmen aus Werbungen, Product-Placements usw unabhängig zu sein scheine. Auch wäre nicht vereinbart worden, dass der ORF an derartigen Einnahmen zu beteiligen gewesen sei. Gleichwohl gehe die belangte Behörde davon aus, dass das von A geleistete Entgelt (von dem nicht festgestellt worden sei, worin dieses bestanden habe) auch dem ORF zu Gute gekommen sei. Dabei übersehe die belangte Behörde, dass der vom ORF geleistete Produktionskostenzuschuss im Ergebnis den Erwerb urheberrechtlicher Senderechte sichergestellt habe. Auch sei er im Verhältnis zu den Gesamtkosten "untergeordnet" gewesen. Schon deshalb sei der Produktionskostenbeitrag von den Einnahmen des ZDF aus Sonderwerbeformen unabhängig gewesen und es würden bei dessen Bemessung die Erträge des ZDF aus diesen Sonderwerbeformen auch nicht implizit mitberücksichtigt. Der Beitrag reflektiere den Wert der Senderechte, der im Wesentlichen durch die in Österreich erzielbare Reichweite, nicht aber durch die Produktionskosten beeinflusst sei. Die aus den Sonderwerbeformen des ZDF gezogenen Vorteile kämen daher auch mittelbar nicht dem ORF zu Gute, weil sich der Beitrag des ORF hierdurch nicht verändere bzw auch nicht verändert hätte, wenn im Vorfeld über derartige Aktionen gesprochen worden wäre.

 

VwGH: Im gegenständlichen Fall ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der strittigen Sendung - wie im Abspann ausgewiesen - um eine Koproduktion mit anderen Rundfunkveranstaltern gehandelt hat.

 

Die bf Partei bezieht sich mit ihrem Vorbringen auf das vertragliche Innenverhältnis zwischen den Koproduktionspartnern, das dem ORF auch nach den Feststellungen der belangten Behörde (zumindest in Bezug auf die hier interessierende Frage) keinen Einfluss auf die Gestaltung der Sendung erlaubt und ihn an allfälligen Werbeeinnahmen auch nicht beteiligt hat.

 

Die Sichtweise der belangten Behörde läuft hingegen darauf hinaus, den ORF als Koproduzenten - ungeachtet der vertraglichen Vereinbarungen mit dem ZDF - für die Vorkommnisse in der Sendung verantwortlich zu machen. Dabei scheint es der belangten Behörde von Relevanz zu sein, ob dem ORF die strittige Werbung zumindest mittelbar auch finanziell zu Gute gekommen ist oder zumindest zu Gute kommen hätte können.

 

Das im vorliegenden Fall in Rede stehende Trennungsgebot von Werbung und Programm nach § 13 Abs 3 ORF-G aF (§ 14 Abs 1 ORF-G nF) richtet sich an den ORF als Rundfunkveranstalter, der in seinem Programm Sendezeiten zu Zwecken der Werbung vergibt (§ 13 Abs 1 ORF-G aF).

 

Der in der Rsp entwickelte objektive Maßstab, nach dem zu beurteilen ist, ob entgeltliche Werbung iSd § 13 Abs 1 ORF-G aF vorliegt, hat das Ziel des Gesetzgebers vor Augen, den ORF zu einer insbesondere im Interesse der Fernsehzuseher gelegenen transparenten Gestaltung der in seinem Programm gezeigten Werbung anzuhalten. Er bringt es mit sich, dass von einer "Vergabe" von Werbezeiten durch den ORF auch dann gesprochen werden kann, wenn die Werbung in einem vom ihm produzierten Programm ohne vertragliche Vereinbarung mit dem beworbenen Unternehmen stattgefunden hat und dem ORF dafür kein Entgelt oder eine andere Gegenleistung zugeflossen ist (die werbliche Darstellung aber nach der Verkehrsauffassung üblicherweise nur gegen Entgelt erfolgen würde).

 

Ausgehend davon ist es im vorliegenden Fall auch nicht entscheidend, welche konkreten vertraglichen Vereinbarungen der ORF in Bezug auf die hier strittige Werbung und die daraus erzielten Erlöse getroffen hat. Es spielt auch keine Rolle, ob der ORF zu dem werbenden Moderator in einer unmittelbaren Rechtsbeziehung steht oder welcher konkrete Einfluss dem ORF auf das Verhalten des Moderators bzw die werbliche Gestaltung der Sendung in den internen Verträgen mit dem ZDF eingeräumt worden ist.

 

Maßgeblich ist vielmehr, dass der ORF als Rundfunkveranstalter die strittige Sendung ausgestrahlt hat und gegenüber dem Fernsehpublikum, das auch Ziel der beanstandeten Werbung war, als (mit anderen Fernsehveranstaltern gleichrangiger) Koproduzent der Sendung aufgetreten ist (vgl die Einblendung am Ende der Sendung: "Eine Produktion von ZDF ORF SF"). Es wurde daher weder offen gelegt, dass der Einfluss des ORF auf dieses Programm sich auf die von der bf Partei vorgebrachten Bereiche beschränkte, noch, dass die in der Sendung vorkommende Werbung vom ORF nicht beabsichtigt war und ihm daraus keine finanziellen Vorteile zu Gute kommen konnten. Aus der Sicht eines durchschnittlich informierten und aufmerksamen Fernsehzuschauers, dessen Schutz die in Rede stehenden Vorschriften (ua) bezwecken, musste daher jedenfalls der Eindruck entstehen, es handle sich um eine vom ORF (mit)produzierte Sendung, auf deren Inhalt er auch entsprechenden Einfluss nehmen konnte. In dieser Situation hat sich der ORF die in der Sendung vorkommende Werbung wie eine solche in eigenständig produzierten Programmen zurechnen zu lassen, ohne dass es darauf ankäme, ob er diese selbst in Auftrag gegeben hat und davon neben seinem Koproduzenten ZDF finanziell (unmittelbar oder mittelbar) profitiert hat oder profitieren konnte. Eine andere Sichtweise würde nicht nur den oben angesprochenen Schutzinteressen entgegen stehen, sondern würde auch der Kontrollfunktion der die Rechtsaufsicht über den ORF ausübenden belangten Behörde zuwider laufen, die in einem solchen Fall die Einhaltung des ORF-G nicht anhand des gezeigten Programms, sondern der - der Öffentlichkeit nicht bekannten - internen Abmachungen zwischen den Koproduzenten zu beurteilen hätte. Derartige Absichten können dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden.