30.11.2011 Verwaltungsstrafrecht

VwGH: Verfolgungsverjährung gem § 31 VStG iZm Berichtigung des erstinstanzlichen Bescheides hinsichtlich der Tatzeit

Eine ausreichend konkretisierte Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs 2 VStG liegt dann vor, wenn die zur Kenntnis gebrachte Anzeige den Anforderungen, die § 44a Z 1 VStG betreffend die Individualisierung der als erwiesen angenommenen Tat stellt, erfüllt


Schlagworte: Verfolgungshandlung, Verjährung, Berichtigung der Tatzeit, Individualisierung der Tat
Gesetze:

§ 31 VStG, § 32 VStG, § 44a VStG

GZ 2008/02/0184, 16.09.2011

 

Der Bf meint, es sei Verfolgungsverjährung iSd § 31 Abs 2 VStG eingetreten, weil hinsichtlich der von der belangten Behörde angenommenen Tatzeit eine Verfolgungshandlung innerhalb der Verjährungsfrist nicht stattgefunden habe. Die "Berichtigung" des erstinstanzlichen Bescheides in Hinsicht auf die Tatzeit sei außerhalb der im § 31 Abs 2 zweiter Fall VStG normierten 6-monatigen Frist erfolgt.

 

VwGH: Gem § 31 Abs 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs 2 und 3) vorgenommen worden ist. Die hier in Betracht kommende Verjährungsfrist beträgt gem § 31 Abs 2 leg cit sechs Monate.

 

Gem § 32 Abs 2 VStG ist als verjährungsunterbrechende Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung anzusehen, und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

 

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde außerhalb der Frist der Verfolgungsverjährung die vom Tatvorwurf umfasste Tatzeit im Spruch des angefochtenen Bescheides "berichtigt".

 

Eine derartige Berichtigung ist dann zulässig, wenn innerhalb der Verjährungsfrist eine Verfolgungshandlung unter Angabe des zutreffenden Tatzeitpunktes gesetzt wurde.

 

Nach der Rsp des VwGH stellt auch das Zurkenntnisbringen des Anzeigeninhalts mit der Aufforderung zur Abgabe einer Stellungnahme zur Rechtfertigung eine taugliche Verfolgungshandlung iSd § 32 VStG dar, wenn die Anzeige alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale enthält.

 

Hinsichtlich der Anforderungen an eine Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs 2 VStG hat der VwGH im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 16. Jänner 1987, Slg Nr 12.375/A, ausgeführt, dass auf eine bestimmte Person als Beschuldigten abgestellt werde, dem eine konkrete strafbare Handlung oder Unterlassung angelastet werde. Die Verfolgungshandlung müsse sich auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, ferner auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift iSd § 44a Z 2 VStG beziehen. In gleicher Weise wurde im hg Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Slg Nr 11.525/A, ausgeführt, dass nach der Definition des § 32 Abs 1 VStG die gegen die betreffende Person gerichtete Amtshandlung eine bestimmte Verwaltungsübertretung zum Gegenstand haben müsse. Die Amtshandlung müsse sich insofern auf alle einer späteren Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen.

 

Der VwGH vertritt weiters seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 3. Oktober 1985, Slg Nr 11.894/A, die Auffassung, der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG (betreffend den Inhalt des Spruches eines Straferkenntnisses) sei dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an die Tatumschreibung zu stellende Erfordernis werde daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtsschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis sein.

 

Im Beschwerdefall wurde dem (damaligen) Vertreter des Bf mit Schreiben vom 12. Juli 2004 (sohin innerhalb der Verjährungsfrist) nachweislich eine Kopie des Gesamtaktes mit der - mit dem Tatvorwurf des erstinstanzlichen Straferkenntnisses insoweit gleich lautenden - Aufforderung zur Rechtfertigung übermittelt. Zum Inhalt der Anzeige gehörten aber auch die im Zuge der dort näher dargestellten Amtshandlung anlässlich der technischen Überprüfung des Lkws samt Anhänger erstatteten Gutachten der Bundesprüfanstalt für Kraftfahrzeuge vom 9. Februar 2004 (beide Gutachten sind als "Beilage" zur Anzeige angeführt und dieser angeschlossen), die in der Begründung der Anzeige als Grundlage für die vorgeworfenen Mängel der überprüften Fahrzeuge und für die Untersagung der Weiterfahrt herangezogen wurden.

 

Ausgehend von den oben wiedergegebenen Grundsätzen entspricht die dem Bf zu Handen seines Rechtsvertreters als Anlage zum Schreiben vom 12. Juli 2004 zur Kenntnis gebrachte Anzeige samt Beilagen den Anforderungen, die § 44a Z 1 VStG betreffend die Individualisierung der als erwiesen angenommenen Tat stellt. Es lag somit eine ausreichend konkretisierte Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs 2 VStG vor und der Tatzeitpunkt 9. Februar 2004 erweist sich schon deshalb als verfolgt.