30.11.2011 Arbeitsrecht

VwGH: Berechnung der Pflichtzahl gem § 4 BEinstG – (geschäftsführende) Gesellschafter als Dienstnehmer gem Abs 1?

Nach der Rsp des VwGH reicht die Möglichkeit eines (geschäftsführenden) Gesellschafters einer GmbH, persönliche Weisungen an ihn zu verhindern, aus, ein Beschäftigungsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit iSd § 4 Abs 2 ASVG auszuschließen; diese Judikatur kann auf § 4 Abs 1 lit a BEinstG übertragen werden


Schlagworte: Behinderteneinstellungsrecht, Beschäftigungspflicht, Berechnung der Pflichtzahl, (geschäftsführende) Gesellschafter, Dienstnehmer, persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit, Ausgleichstaxe
Gesetze:

§ 4 BEinstG, § 1 BEinstG, § 9 BEinstG, § 4 ASVG, § 21c RAO

GZ 2007/11/0128, 30.09.2011

 

Die belangte Behörde stützt den angefochtenen Bescheid auf die Auffassung, ein Indiz für die Dienstnehmereigenschaft stelle die Anmeldung zur Pflichtversicherung bei der Gebietskrankenkasse dar. Grundlage für die Berechnung der Gesamtzahl der Dienstnehmer sowie der Pflichtzahl und als Folge Ausgangspunkt für die Vorschreibung zur Entrichtung der Ausgleichstaxe seien dabei die bei den Trägern der Sozialversicherung am jeweils Monatsersten als Stichtag zur Pflichtversicherung gemeldeten Dienstnehmer. Für die Überprüfung der Erfüllung der Beschäftigungspflicht bildeten die Angaben die entscheidende Grundlage. Es wäre in der Sphäre der bf Partei gelegen, sollte es sich um eine freie unabhängige Beschäftigung und um keine Dienstverhältnisse handeln, die Gesellschafter auf dem Dienstgeberbeitragskonto für freie Dienstnehmer oder als selbständig Erwerbstätige zur Krankenversicherung anzumelden.

 

Bei der Frage der Dienstnehmereigenschaft von Personen, die Gesellschaftsanteile besitzen, werde auf die Rsp des VwGH verwiesen, wonach der Besitz von Gesellschaftsanteilen nicht schon für sich allein die wirtschaftliche und persönliche Abhängigkeit der Gesellschafter ausschließe. Nur wenn mit dem Besitz von Gesellschaftsanteilen ein derartiges Ausmaß an Rechten und Befugnissen verbunden sei, dass Mitunternehmerschaft gegeben sei, liege zufolge dieser gesellschaftsrechtlichen Stellung kein Verhältnis wirtschaftlicher oder persönlicher Abhängigkeit mehr vor. Diese Voraussetzungen lägen nur dann vor, wenn ein geschäftsführender Gesellschafter über 50% der Gesellschaftsanteile besitze. Da die Partneranwälte der bf Partei laut Gesellschaftsvertrag lediglich einen Gesellschaftsanteil von 8,33% besäßen, könne nicht von persönlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit gesprochen werden. Die auf Grund des vorliegenden Berufsbildes zu gewährleistende freie und unabhängige Mandatsausübung stehe einer Anrechnung als Dienstnehmer nicht entgegen, va weil es sich um den wirtschaftlich abhängigen - hauptberuflichen - Einkommenserwerb und nicht um eine wirtschaftlich unbedeutende Nebentätigkeit handle, die nach freiem Ermessen ausgeübt werden könne.

 

VwGH: Aus dem Umstand, dass die Gebietskrankenkasse Auskunft darüber gegeben hat, welche Personen im fraglichen Zeitraum auf dem Konto für Dienstnehmer der bf Partei gemeldet waren, ergibt sich nicht zwangsläufig, dass die auf dem Konto aufscheinenden Personen Dienstnehmer iSd § 4 Abs 1 BEinstG sind. Als Dienstnehmer nach dem BEinstG sind nämlich ausschließlich solche Personen anzusehen, die unter eines der im § 4 Abs 1 BEinstG taxativ genannten Kriterien fallen. Grundsätzlich müssen zwar bei einer Annahme der Dienstnehmereigenschaft iSd § 4 Abs 1 lit a BEinstG nicht sämtliche Voraussetzungen für ein persönliches und wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis gegeben sein, es genügt vielmehr ein Überwiegen der dafür entsprechenden Merkmale gegenüber zB den Merkmalen einer selbständigen Ausübung der Erwerbstätigkeit. Entscheidend bleibt jedoch, wie die Beschäftigung jeweils konkret ausgeübt wird. Es reicht sohin nicht, die von der GKK auf dem Dienstnehmerkonto angeführten Personen der Berechnung der Ausgleichstaxe zu Grunde zu legen. Diese sind nur dann nur in die Berechnung einzubeziehen, wenn sie in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit iSd § 4 Abs 1 lit a BEinstG beschäftigt sind.

 

Auch aus dem Umstand, dass ein geschäftsführender Gesellschafter der bf Partei keine Sperrminorität mit seinen Gesellschaftsanteilen erreicht, kann nicht gefolgert werden, dass die Partneranwälte schon deswegen als Dienstnehmer iSd § 4 Abs 1 lit a BEinstG in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit bei der bf Partei tätig sind. Vielmehr wäre zu prüfen gewesen, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung des jeweiligen Gesellschafters seine Bestimmungsfreiheit durch diese Beschäftigung insbesondere infolge seiner Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit und das arbeitsbezogene Verhalten weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen einer Beschäftigung - nur beschränkt ist.

 

Nach der Rsp des VwGH reicht die Möglichkeit eines (geschäftsführenden) Gesellschafters einer GmbH, persönliche Weisungen an ihn zu verhindern, aus, ein Beschäftigungsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit iSd § 4 Abs 2 ASVG auszuschließen. Diese Judikatur kann auf § 4 Abs 1 lit a BEinstG übertragen werden.

 

Die bf Partei hat in ihrer im Akt erliegenden Stellungnahme vom 23. Jänner 2006 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Partneranwälte nicht nur weisungsfrei und allein vertretungsbefugt seien, sondern dass auch jeder für sich allein zur Geschäftsführung berechtigt sei. Für die GmbH übe jeder Partner allein als Geschäftsführer die Dienstgeberfunktion gegenüber der Belegschaft aus. Das für die Dienstnehmereigenschaft iSd § 4 Abs 1 lit a BEinstG wesentliche Merkmal der persönlichen Abhängigkeit fehle.

 

Die belangte Behörde ist - in Verkennung der Rechtslage - im angefochtenen Bescheid in keiner Weise auf dieses von der bf Partei erstattete Vorbringen zu den Partneranwälten, insbesondere auf die in § 21c Z 9 RAO genannte Weisungsungebundenheit, welche auch im Gesellschaftsvertrag der bf Partei normiert sei, eingegangen, obwohl diese geeignet wäre, die Eigenschaft der Partneranwälte als Dienstnehmer iSd § 4 Abs 1 lit a BEinstG auszuschließen.

 

Als wesentlich erweist sich vor diesem Hintergrund, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht erkennbar festgestellt hat, welche der Partneranwälte bzw ob alle Partneranwälte bei der Berechnung der Ausgleichstaxe als Dienstnehmer iSd § 4 Abs 1 BEinstG einbezogen worden sind. Aus den Verwaltungsakten ergeben sich freilich Hinweise darauf, dass die bf Partei bereits im Kalenderjahr 2004 wenigstens 10 Partneranwälte umfasste.

 

Sollte sich bei sämtlichen Partneranwälten - die Begründung des angefochtenen Bescheides lässt eine differenzierende Behandlung einzelner Partneranwälte nicht erkennen - herausstellen, dass sie entgegen der Auffassung der belangten Behörde im fraglichen Zeitraum nicht als Dienstnehmer iSd § 4 Abs 1 lit a BEinstG zu qualifizieren waren, erwiese sich die den angefochtenen Bescheid tragende Annahme einer Beschäftigung von wenigstens 25 Dienstnehmern im Kalenderjahr 2004 als unzutreffend.