14.12.2011 Sozialrecht

VwGH: Zumutbarkeit der angebotenen Beschäftigung gem § 9 AlVG iZm für den Arbeitsweg entstehenden Kfz-Kosten

Die in § 9 Abs 2 AlVG - abschließend - geregelten Kriterien für die Zumutbarkeit einer angebotenen Beschäftigung stellen nicht auf die für das Erreichen des Arbeitsplatzes entstehenden Kosten ab


Schlagworte: Arbeitslosenversicherungsrecht, Zumutbarkeit der angebotenen Beschäftigung, für den Arbeitsweg entstehende Kfz-Kosten, Wegzeit
Gesetze:

§ 9 AlVG, § 10 AlVG

GZ 2011/08/0314, 19.10.2011

 

Die Bf bestreitet nicht, dass ihr eine Vollzeitbeschäftigung als Angestellte mit Arbeitsbeginn am 14. Februar 2011 und einer Entlohnung von monatlich EUR 1.650,-- brutto angeboten wurde. Sie macht jedoch geltend, dass die belangte Behörde die Zumutbarkeit der Beschäftigung zu Unrecht angenommen habe, da ihr die Bewältigung der täglichen Wegstrecke vom Wohnsitz zur angebotenen Arbeitsstelle in G nicht zumutbar sei.

 

Dies begründet die Bf zum einen mit dem Zeitaufwand im Falle der Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln, der für beide Wegstrecken zusammen drei Stunden und 50 Minuten (bei anderen Arbeitsbeginn- und Arbeitsschlusszeiten sogar noch darüber) liegen würde.

 

Zweitens macht die Bf geltend, dass ihr die Benützung des eigenen Kraftfahrzeugs nicht zumutbar sei. Eine Fahrtstrecke vom Wohnsitz zum angebotenen Arbeitsplatz betrage 63 km, bei angenommenen 21 Arbeitstagen im Monat würde sie rund 2646 km zurücklegen müssen. Die Bf besitze einen von ihr näher bezeichneten PKW und müsste für diesen hohe Kosten aufwenden. Unter Berufung auf eine mit der Beschwerde vorgelegte Statistik der Autokosten eines Kraftfahrerklubs führt die Bf aus, dass sie bei ihrem Fahrzeugmodell Kosten von zumindest EUR 0,322 pro Kilometer habe, woraus sich monatliche Kosten von rund EUR 852,-- ergeben würden. Würde man das amtliche Kilometergeld von EUR 0,42 heranziehen, ergebe sich sogar eine monatliche Kostenbelastung von rund EUR 1.111,--.

 

Lege man das bei dem angebotenen Bruttoeinkommen von EUR 1.650,-- errechenbare Nettoeinkommen inklusive Pendlerpauschale von EUR 1.288,91 zugrunde und bringe davon die monatlichen Kosten für die Bewältigung der Wegstrecke von EUR 750,-- in Abzug, würde der Bf lediglich ein Betrag von EUR 538,91 verbleiben, der damit deutlich unterhalb des Ausgleichszulagenrichtsatzes, der Notstandshilfe, sowie des gesetzlichen Existenzminimums liege. An den von der belangten Behörde im bekämpften Bescheid erwähnten Beihilfen und Förderungen würde es - neben der bereits berücksichtigten Pendlerpauschale - nur die "Entfernungsbeihilfe" des AMS geben, die jedoch mit 26 Wochen zum einen zeitlich befristet und darüber hinaus auch mit monatlich maximal EUR 203,-- betraglich begrenzt sei. Der Bf könne daher diese Förderungsmöglichkeit nicht entgegengehalten werden.

 

Schließlich könne der Bf eine wesentlich über der nach § 9 Abs 2 AlVG für eine Vollzeitbeschäftigung vorgesehenen zwei Stunden liegende Wegzeit nicht zugemutet werden, da ihre Wohnortgemeinde keine typische Pendlergemeinde sei. Nach einer mit der Beschwerde vorgelegten Aufstellung der Statistik Austria würden nicht einmal 10 % aller Erwerbstätigen ihres Wohnorts nach G auspendeln.

 

VwGH: Zu diesem Vorbringen ist zunächst festzuhalten, dass die belangte Behörde die Beschäftigung als zumutbar beurteilt hat, weil die Arbeitsstelle von der Bf bei Benützung ihres Kraftfahrzeugs in 52 Minuten zu erreichen gewesen wäre und die tägliche Wegzeit für die Hin- und Rückfahrt weniger als zwei Stunden betragen hätte; diese Wegzeiten wurden von der Bf im Verwaltungsverfahren (und auch in der Beschwerde) nicht bestritten.

 

Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, wie lange die Wegzeit unter Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gewesen wäre, da die arbeitssuchende Bf nach stRsp des VwGH grundsätzlich verpflichtet ist, das ihr zur Verfügung stehende Kraftfahrzeug falls erforderlich für das Erreichen eines Arbeitsplatzes einzusetzen. Auch auf die Frage, ob besondere Umstände vorliegen, auf Grund derer eine längere Wegzeit als zwei Stunden ausnahmsweise zumutbar gewesen wäre, musste die belangte Behörde angesichts der - bei Benützung des Kraftfahrzeugs - unstrittig unter zwei Stunden liegenden Wegzeit nicht eingehen.

 

Entscheidend ist daher im Beschwerdefall ausschließlich, ob die der Bf angebotene Beschäftigung deshalb als unzumutbar anzusehen ist, weil für das Erreichen der Arbeitsstelle hohe Kosten für die Verwendung des eigenen Kraftfahrzeugs anfallen würden.

 

Dazu ist jedoch festzuhalten, dass die in § 9 Abs 2 AlVG - abschließend - geregelten Kriterien für die Zumutbarkeit einer angebotenen Beschäftigung nicht auf die für das Erreichen des Arbeitsplatzes entstehenden Kosten abstellen. Die Entfernung der Arbeitsstelle vom Wohnort findet im Gesetz nur insoweit Beachtung, als die für den Arbeitsweg aufzuwendende Zeit bestimmte - im Beschwerdefall eingehaltene - Grenzen nicht überschreiten darf. Das Gesetz geht damit in einer typisierenden Betrachtungsweise davon aus, dass die Aufwendungen für die Fahrt zu einem Arbeitsplatz, der innerhalb der zumutbaren Wegzeit, auch bei Benutzung des eigenen Kraftfahrzeugs, erreichbar ist, nicht so hoch sein werden, dass dies die Beschäftigung unzumutbar macht. Für eine individuelle Berücksichtigung der für den Arbeitsweg entstehenden Kfz-Kosten ist daher angesichts des klaren Wortlauts des Gesetzes, das ausschließlich auf die Wegzeit abstellt, kein Raum. Überdies übersieht die Bf, dass ihr die Fixkosten des Kraftfahrzeugs unabhängig davon erwachsen, ob das Fahrzeug bewegt wird oder nicht, sodass bei Aufnahme einer Beschäftigung, für deren Erreichbarkeit in angemessener Zeit des Kfz verwendet werden muss, nur die variablen Kosten - insbesondere Treibstoffkosten - zusätzlich entstehen.