28.12.2011 Sozialrecht

VwGH: Selbstversicherung in der Krankenversicherung gem § 16 ASVG – Beitragszahlung während Strafhaft?

Die Strafhaft (ebenso wie die Untersuchungshaft) bewirkt keine Beendigung der Selbstversicherung


Schlagworte: Allgemeines Sozialversicherungsrecht, Krankenversicherung, Selbstversicherung, Beitragszahlung, Strafhaft, Untersuchungshaft, Beendigung, Austrittserklärung
Gesetze:

§ 16 ASVG, § 69 ASVG, §§ 66 ff StVG, § 89 ASVG

GZ 2008/08/0255, 16.11.2011

 

Der Bf macht geltend, während der Verbüßung der Strafhaft habe sein Leistungsanspruch geruht. Wenn aber der Versicherungsträger von seiner Leistungspflicht ex lege frei sei und die Leistungserbringung darüber hinaus unmöglich sei, so sei auch der Versicherungsnehmer während dieses Zeitraumes von seinen Leistungsverpflichtungen (der regelmäßigen Beitragszahlung) frei. Eine Beendigung des Versicherungsverhältnisses sei dazu nicht notwendig und sei keine Voraussetzung für eine Rückforderbarkeit der Beiträge. Es wäre völlig unsachlich, die gesetzlichen Regelungen dahin zu interpretieren, dass der Versicherungsträger zwar von seiner Leistungspflicht ex lege frei und die Leistungserbringung unmöglich sei, während der Versicherungsnehmer während dieses Zeitraumes von seinen Leistungsverpflichtungen nicht befreit wäre.

 

VwGH: Der Bf war auf Grund seines Antrages gem § 16 Abs 1 ASVG in der Krankenversicherung selbstversichert. Eine Beendigung der Selbstversicherung ist aus dem festgestellten Sachverhalt nicht ableitbar. Diese würde zum einen dann eintreten, wenn die Voraussetzungen der Selbstversicherung wegfielen. Dass die Voraussetzungen vorlagen (keine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung, Wohnsitz im Inland), ist im Verfahren unstrittig. Auch eine Austrittserklärung (§ 16 Abs 6 Z 1 ASVG) oder ein Beitragsrückstand (iSd § 16 Abs 6 Z 2 ASVG) lagen nach dem unstrittigen Sachverhalt nicht vor.

 

Die Strafhaft (ebenso wie die Untersuchungshaft) bewirkt keine Beendigung der Selbstversicherung; § 89 Abs 1 ASVG sieht vielmehr für diesen Fall ausdrücklich das bloße Ruhen der Leistungsansprüche vor. Auch der Umstand, dass Strafgefangene auf die Leistungen der Krankenversicherung nicht angewiesen sind, da diese Leistungen nach den §§ 66 ff StVG auf Kosten des Bundes erbracht werden, bewirkt keine Beendigung der Selbstversicherung; das Nicht-Angewiesensein auf Leistungen ist kein ex-lege-Beendigungsgrund der Selbstversicherung (vgl § 16 Abs 6 ASVG, welcher Regelungen für einen Austritt aus der Selbstversicherung wegen des Beginnes der Angehörigeneigenschaft oder einer Krankenfürsorge seitens einer Krankenfürsorgeeinrichtung eines öffentlich-rechtlichen Dienstgebers enthält, also auch für diese Fälle nur eine Austrittserklärung als Beendigungsgrund vorsieht).

 

Auf die Motive der Entrichtung der Beiträge zur Selbstversicherung stellt das Gesetz aber nicht ab. Ob und aus welchen Gründen sich der Versicherte über die Auswirkung seiner Beitragszahlungen auf (künftige) Versicherungsleistungen in einem Irrtum befunden hat, ist im Zusammenhang mit der Ungebührlichkeit von Beitragszahlungen gem § 69 Abs 1 ASVG nicht von Bedeutung.

 

Die vom Bf zu § 89 Abs 1 Z 1 ASVG angeregte Antragstellung an den VfGH musste schon deswegen unterbleiben, weil die genannte Bestimmung für dieses Verfahren nicht präjudiziell ist; die Aufhebung der Bestimmung des § 89 Abs 1 Z 1 ASVG könnte nur - allenfalls - dazu führen, dass Leistungsansprüche für Strafgefangene aufrecht blieben, nicht aber, dass Beiträge zurückgefordert werden könnten. Im Übrigen besteht aber in der Sozialversicherung nicht der Grundsatz der Äquivalenz von Beitragsleistung und Versicherungsleistung, so dass auch in Kauf genommen werden muss, dass es in manchen Fällen trotz Beitragsleistung zu keiner Versicherungsleistung kommt. Schließlich ist aber darauf zu verweisen, dass es dem Selbstversicherten ohnehin frei steht, die Selbstversicherung durch seine Erklärung zu beenden.