16.06.2011 Wirtschaftsrecht

VwGH: Einstweilige Verfügung gem § 328 BVergG 2006 – zur unmittelbar drohenden Schädigung von Interessen des Antragstellers

Die Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist auch im Falle der Anfechtung einer Ausschreibung möglich; unter dem Schadensbegriff des § 328 Abs 1 BVergG 2006 ist nicht nur der reine Vermögensschaden zu verstehen, sondern etwa auch der Verlust eines Referenzprojekts; vom Schadensbegriff des § 328 Abs 1 BVergG 2006 sind, ebenso wie vom Schadensbegriff des § 320 Abs 1 Z 2 leg cit, all jene Nachteile umfasst, die in der Beeinträchtigung der Möglichkeit eines Unternehmers, am Vergabeverfahren teilzunehmen und den Zuschlag zu erhalten, liegen; auch Kosten einer frustrierten Angebotserstellung stellen bereits einen drohenden Schaden nach § 328 Abs 1 BVergG 2006 dar


Schlagworte: Vergaberecht, einstweilige Verfügung,, unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers
Gesetze:

§ 328 BVergG 2006, § 329 BVergG 2006

GZ 2008/04/0065, 14.04.2011

 

Die mitbeteiligte Partei hat einen Lieferauftrag zur Beschaffung eines Impfstoffes gegen Rotaviren im Wege eines offenen Verfahrens mit einem geschätzten Auftragswert von EUR 1,920.000,-- nach dem "Billigstbieterprinzip" ausgeschrieben.

 

Mit Nachprüfungsantrag vom 18. April 2008 begehrte die Bf die Nichtigerklärung der (bzw eines Teiles der) Ausschreibung und den Ersatz der für diesen Antrag entrichteten Pauschalgebühr sowie unter einem die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag der Bf auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen, weil der Bf durch die (mit dem gleichzeitig gestellten Nachprüfungsantrag) bekämpfte Ausschreibung noch keine unmittelbare Schädigung ihrer Interessen iSd § 328 Abs 1 BVergG 2006 drohe. Eine unmittelbar drohende Schädigung (in Form des entgangenen Gewinns und eines entgangenen Referenzprojekts bei Zuschlagserteilung an einen anderen Bieter) könne nach Ansicht der belangten Behörde erst durch die Zuschlagsentscheidung bewirkt werden. Die belangte Behörde hat daher den Antrag der Bf schon wegen der Nichterfüllung der Erfolgsvoraussetzungen des § 328 Abs 1 BVergG 2006 abgewiesen und hat sich folglich mit der Interessenabwägung des § 329 Abs 1 BVergG 2006 nicht mehr befasst.

 

VwGH: Soweit die belangte Behörde damit zum Ausdruck bringt, im Falle eines Antrages auf Nichtigerklärung einer Ausschreibung komme die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nicht in Betracht, weil die Ausschreibung für sich noch keine zu einem unmittelbaren Schaden führende Entscheidung des Auftraggebers darstellen könne, ist darauf hinzuweisen, dass § 328 Abs 1 BVergG 2006 die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zwar vom Bestehen (und von der behaupteten Rechtswidrigkeit) einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers abhängig macht, aber nicht auf bestimmte gesondert anfechtbare Auftraggeberentscheidungen reduziert. Vielmehr ergibt sich auch aus § 328 Abs 5 Z 3 BVergG 2006, wonach durch eine einstweilige Verfügung ua das Öffnen der Angebote vorläufig untersagt werden kann (was im Übrigen gegenständlich beantragt wurde), dass die Erlassung einer einstweiligen Verfügung auch im Falle der Anfechtung einer Ausschreibung möglich ist (was im Übrigen den Anforderungen des Art 2 Abs 1 lit a der Richtlinie 89/665/EWG entspricht).

 

Entscheidend ist daher im vorliegenden Fall, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 328 Abs 1 BVergG 2006 erfüllt waren, insbesondere ob der Bf bei Erlassung des angefochtenen Bescheides eine unmittelbare Schädigung ihrer Interessen iSd genannten Bestimmung drohte (eine bereits entstandene Schädigung wurde unstrittig nicht behauptet). Unter dem Schadensbegriff des § 328 Abs 1 BVergG 2006 ist nicht nur der reine Vermögensschaden zu verstehen, sondern etwa auch der Verlust eines Referenzprojekts. Vom Schadensbegriff des § 328 Abs 1 BVergG 2006 sind, ebenso wie vom Schadensbegriff des § 320 Abs 1 Z 2 BVergG 2006, all jene Nachteile umfasst, die in der Beeinträchtigung der Möglichkeit eines Unternehmers, am Vergabeverfahren teilzunehmen und den Zuschlag zu erhalten, liegen.

 

In der Begründung ihres Antrages auf Erlassung der einstweiligen Verfügung hat die Bf zur drohenden Schädigung sinngemäß ausgeführt (§ 328 Abs 2 Z 4 BVergG 2006), sie müsse, wenn diesem Antrag nicht stattgegeben werde, zum Zwecke der Aufrechterhaltung ihrer Chance auf Zuschlagserteilung ein Angebot auf Basis der angefochtenen Ausschreibung, somit auf der Grundlage des Billigstbieterprinzips, abgeben, obwohl ihre Chancen auf den Zuschlag dadurch beeinträchtigt seien (weil das Produkt der Bf gegenüber jenem des Mitbewerbers die höhere Qualität aufweise und damit nur bei einer Ausschreibung nach dem Bestbieterprinzip im Vorteil sei).

 

Damit hat die Bf zunächst erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass ihr im Falle der Nichterlassung einer einstweiligen Verfügung ein unmittelbarer Vermögensschaden infolge der (frustrierten) Kosten für die Angebotserstellung drohe, weil sie bei Aufrechterhaltung des Billigstbieterprinzips (somit bei Nichtberücksichtigung der besseren Qualität ihres Impfstoffes) geringe Chancen auf den Zuschlag habe. In diesem Zusammenhang bringt sie auch in der Beschwerde vor, dass für ihre höherwertige Leistung auch ein höherer Preis verlangt werden müsse (womit sie abermals auf die verringerten Chancen ihres Angebotes beim vorgegebenen Billigstbieterprinzip verweist).

 

Dieses für einen unmittelbar drohenden Vermögensschaden sprechende Argument ist nicht von der Hand zu weisen. Nach der Rsp des VwGH genügt es nämlich, wenn die Behauptung eines drohenden oder eingetretenen Schadens plausibel ist; ins Einzelne gehende (genaueste) Darlegungen sind nicht geboten. Dass die von der Bf in ihrem Antrag angesprochenen Kosten einer frustrierten Angebotserstellung bereits einen drohenden Schaden nach § 328 Abs 1 BVergG 2006 darstellen, zeigt auch die Bestimmung des § 338 BVergG 2006. Der erste Absatz dieser Bestimmung nennt nämlich ausdrücklich die Kosten der Angebotsstellung als Schaden und Abs 2 verpflichtet den Geschädigten, diesen Schaden durch Beantragung einer einstweiligen Verfügung (sowie durch Stellen eines Nachprüfungsantrages) abzuwenden, was voraussetzt, dass ein solcher Schaden als drohender Schaden nach § 328 Abs 1 BVergG 2006 zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung führen kann. Dennoch hat die belangte Behörde, ohne sich mit diesem Argument inhaltlich auseinander zu setzen, den der Bf unmittelbar drohenden Schaden iSd § 328 Abs 1 BVergG 2006 verneint. Schon deshalb erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig.

 

Die Beschwerde ist aber auch im Recht, wenn sie darauf hinweist, dass ihr bei Nichterlassung einer einstweiligen Verfügung auch ein Vermögensschaden in Form des entgangenen Gewinns unmittelbar drohe, weil dieser Schaden, anders als die belangte Behörde meine, nicht durch die Bekämpfung der (zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bevorstehenden) Zuschlagsentscheidung abgewendet werden könne:

 

Durch die Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung hätte die Bf nämlich nichts mehr an dem bereits durch die Ausschreibung vorgegebenen Billigstbieterprinzip ändern können, weil der Auftraggeber bei der Zuschlagsentscheidung an seine diesbezügliche Festlegung in der Ausschreibung gebunden war.

 

Zusammengefasst hat die belangte Behörde daher eine unmittelbar drohende Schädigung der Interessen der Bf durch das mit der Ausschreibung festgelegte Billigstbieterprinzip zu Unrecht ausgeschlossen und, ausgehend davon, die Interessenabwägung iSd § 329 Abs 1 BVergG 2006 unterlassen.