17.11.2011 Gesetzgebung

Regierungsvorlage: EU-JZG-ÄndG 2011

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz (ARHG) und das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den internationalen Gerichten geändert werden (EU-JZG-ÄndG 2011)


Der vorliegende Gesetzentwurf dient vor allem der Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/909/JI des Rates vom 27.11.2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in der Europäischen Union, ABl. L 2008/327, 27. Dieser beruht auf dem Grundgedanken, dass der Strafvollzug in jenem Staat vorzunehmen ist, der am ehesten geeignet ist, der Resozialisierung des Verurteilten zu dienen, und ist bis 5.12.2011 umzusetzen.

 

Daneben werden Umsetzungsmaßnahmen zu folgenden Rahmenbeschlüssen vorgeschlagen:

 

         -      Rahmenbeschluss 2006/960/JI des Rates vom 18.12.2006 über die Vereinfachung des Austauschs von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ABl. L 2006/386, 89, samt Berichtigung, ABl. L 2007/75, 26;

 

         -      Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. 2.2009 zur Änderung der Rahmenbeschlüsse 2002/584/JI, 2005/214/JI, 2006/783/JI, 2008/909/JI und 2008/947/JI, zur Stärkung der Verfahrensrechte von Personen und zur Förderung der Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Entscheidungen, die im Anschluss an eine Verhandlung ergangen sind, zu der die betroffene Person nicht erschienen ist, ABl. L 2009/81, 24, und

 

         -      Rahmenbeschluss 2009/315/JI des Rates vom 26.2.2009 über die Durchführung und den Inhalt des Austauschs von Informationen aus dem Strafregister zwischen den Mitgliedstaaten, ABl. L 2009/93, 23.

 

Weiters soll der Auslegung einer Übergangsbestimmung des Rahmenbeschlusses des Rates 2002/584/JI vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 2002/190, 1) durch den EuGH in seinem Urteil vom 12.8.2008, C-296/08, Goicoechea, Rechnung getragen werden.

 

 

Inhalt:

 

Zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/909/JI wird die Einfügung eines neuen Abschnittes (§§ 39 bis 42g) in das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG) vorgeschlagen, in dem die innerstaatlichen Voraussetzungen für die Vollstreckung von in anderen Mitgliedstaaten ergangenen strafgerichtlichen Urteilen, in welchen Freiheitsstrafen oder mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende Maßnahmen verhängt wurden, sowie für die Erwirkung der Vollstreckung derartiger Urteile österreichischer Gerichte durch andere Mitgliedstaaten geregelt werden sollen.

 

Die wesentliche Vereinfachung gegenüber geltendem Recht ist darin zu sehen, dass die Zustimmung des Vollstreckungsstaats und des Verurteilten zur Erwirkung der Vollstreckung im Vollstreckungsstaat in jenen Fällen nicht erforderlich ist, in denen die verurteilte Person die Staatsangehörigkeit des Vollstreckungsstaats besitzt und in diesem Staat entweder wohnhaft ist oder dorthin als Folge des Urteils nach Beendigung des Strafvollzugs abgeschoben würde. Auch der unmittelbare Behördenverkehr soll der Vereinfachung und Beschleunigung der Zusammenarbeit dienen.

 

Zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2006/960/JI soll festgelegt werden, dass die Sicherheitsbehörden Informationen und Erkenntnisse an einen anderen Mitgliedstaat ohne Vorliegen eines Rechtshilfeersuchens, sondern bloß mit Zustimmung der zuständigen Staatsanwaltschaft übermitteln dürfen (§ 57a EU-JZG).

 

Zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2009/299/JI sollen die geltenden Ablehnungsgründe des Abwesenheitsverfahrens im Sinne der Gewährleistungen eines verstärkten Rechtsschutzes für den Betroffenen geändert werden (§§ 11, 52a Abs. 1 Z 8 und 53a Z 10 und Z 10a EU-JZG).

 

Zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2009/315/JI sollen Regelungen über Inhalt und Form von Ersuchen um Übermittlung einer Strafregisterauskunft und über den Geschäftsweg geschaffen werden. Weiters sollen die Bedingungen für die Verwendung der übermittelten personenbezogenen Daten festgelegt werden (§§ 77 bis 80 EU-JZG).

 

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 12.8.2008, C-296/08, Goicoechea, die Bestimmung in Art 32 Satz 3 des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl, wonach die Erklärung die Wirkung habe, dass die „vor dem 1.1.2004 geltende Auslieferungsregelung“ anzuwenden sind, nicht etwa im Sinn einer „Versteinerung“ dieser Regeln zum Stichtag 1.1.2004 verstanden: Vielmehr sind auch nach diesem Stichtag hinzukommende Weiterentwicklungen (jedenfalls) des EU-Auslieferungsrechts zu berücksichtigen (konkret erklärte der EuGH das 1996 unterzeichnete EU-Auslieferungs-Übereinkommen, das für Frankreich erst am 30.6.2005 anwendbar wurde, im Anlassfall für anwendbar).

 

Um dieser Auslegung Rechnung zu tragen, soll die Bestimmung im zweiten Satz von § 77 Abs. 4 (nunmehr § 82 Abs. 4) dahin geändert werden, dass nicht bloß wie bisher (Auslieferungs-)Recht der Europäischen Union anzuwenden ist, das zum Stichtag 7.8.2002 galt, sondern auch jenes, das (seither hinzugekommen ist und) zum Entscheidungszeitpunkt gilt. Von praktischer Bedeutung kann dies vor allem im Hinblick auf seither erfolgte Ratifizierungen der beiden EU-Auslieferungs-Übereinkommen durch andere Mitgliedstaaten sein.