28.07.2011 Gesetzgebung

Ministerialentwurf: Strafgesetzbuch, Strafprozessordnung 1975 zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes der Umwelt, Änderung

Ministerialentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung 1975 zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes der Umwelt geändert wird


Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union haben am 19. November 2008 die

Richtlinie über den Schutz der Umwelt durch das Strafrecht (ABl. L 328 vom 6.12.2008, S. 28) erlassen.

Durch diese Richtlinie werden die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verpflichtet, einen EUweiten

Mindeststandard für bestimmte vorsätzlich oder grob fahrlässig begangene Handlungen zu

schaffen, die die Umwelt schädigen, diese Verhaltensweisen als Straftaten zu betrachten und unter Strafe

zu stellen.

 

1. Änderungen des Strafgesetzbuches

Die Vorgaben der Richtlinie werden von Österreich bereits in weiten Teilen erfüllt, weil durch die

Umsetzung der Europarats-Konvention zum Schutz der Umwelt durch das Strafrecht bzw. die geplante

Umsetzung des seinerzeitigen Rahmenbeschlusses durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2006, BGBl. I

Nr. 56/2006 bereits ein hohes Schutzniveau besteht. Änderungen sind daher nur in Teilbereichen

erforderlich.

Ein Merkmal sämtlicher in der Richtlinie aufgezählten Tatbestände ist zunächst die

Verwaltungsakzessorietät, wonach die in Art. 3 aufgezählten Straftaten unter Strafe gestellt werden

sollen, wenn sie rechtswidrig begangen werden. Als „rechtswidrig“ definiert die Richtlinie in Art. 2 lit. a

einen Verstoß gegen einen in Anhang A oder B aufgeführten Rechtsakt oder einen Verstoß gegen ein Gesetz, eine Verwaltungsvorschrift eines Mitgliedstaates oder eine Entscheidung einer zuständigen

Behörde eines Mitgliedstaates, das oder die der Umsetzung oder Anwendung der in Anhang A oder B der

Richtlinie genannten Rechtsakte der Gemeinschaft dient. Die Vorgaben der Richtlinie entsprechen daher

dem verwaltungsakzessorisch ausgegestalteten System des österreichischen Umweltstrafrechts.

Entsprechend der Vorgaben von Art. 3 der Richtlinie, sind nunmehr folgende Anpassungen des StGB

vorzunehmen:

aa) Gemäß Art. 3 lit. b der Richtlinie soll die Sammlung, Beförderung, Verwertung und

Beseitigung von Abfällen, einschließlich der betrieblichen Überwachung dieser Verfahren und der

Nachsorge von Beseitigungsanlagen sowie der Handlungen, die von Händlern oder Maklern übernommen

werden (Bewirtschaftung von Abfall) unter Strafe gestellt werden, wenn diese den Tod oder eine schwere

Körperverletzung von Personen oder erhebliche Schäden hinsichtlich der Luft-, Boden- oder

Wasserqualität oder an Tieren oder Pflanzen verursacht oder verursachen kann. Nach Art. 3 lit. c soll die

Verbringung von Abfällen, sofern diese Tätigkeit unter Art. 2 Nummer 35 der Verordnung (EG) Nr.

1013/2006 des europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von

Abfällen fällt und in nicht unerheblicher Menge erfolgt, sanktioniert werden.

Im Hinblick auf die genannten Bestimmungen in Art. 3 lit. b und c der Richtlinie soll daher § 181b StGB

geändert bzw. entsprechend angepasst werden.

bb) Infolge der Vorgaben in Art. 3 lit. e der Richtlinie, wonach die Herstellung, Bearbeitung,

Handhabung, Verwendung, der Besitz, die Lagerung, der Transport, die Einfuhr, Ausfuhr oder

Beseitigung von Kernmaterial oder anderen radioaktiven Stoffen, die den Tod oder eine schwere

Körperverletzung von Personen oder erhebliche Schäden hinsichtlich der Luft-, Boden- oder

Wasserqualität oder an Tieren oder Pflanzen verursacht oder verursachen kann, unter Strafe zu stellen ist,

wird eine Ergänzung der diesbezüglichen Bestimmung im österreichischen Strafgesetzbuch (§ 177b

StGB) vorgeschlagen.

cc) Die nach Art. 3 lit. f der Richtlinie unter Strafe zu stellenden Handlungen (Tötung,

Zerstörung, Besitz oder die Entnahme) in Bezug auf Exemplare geschützter wildlebender Tier- oder

Pflanzenarten sind in Österreich bisher nicht gerichtlich strafbar. Die in den einzelnen Landesgesetzen

enthaltenen verwaltungsrechtlichen Vorschriften zum Schutz dieser Tiere und Pflanzen sollen daher

durch die vorgeschlagenen Bestimmungen der §§ 181f und 181g StGB ergänzt werden, welche durch die

vorgeschlagenen Definitionen in § 74 Abs. 1 Z 12 und 13 StGB von geschützten wildlebenden Tierarten

bzw. Pflanzenarten konkretisiert werden sollen.

dd) Nach Art. 3 lit. h der Richtlinie ist zudem jedes Verhalten, das eine erhebliche Schädigung

eines Lebensraumes innerhalb eines geschützten Gebiets verursacht, unter Strafe zu stellen, sodass eine

entsprechende Erweiterung in den §§ 180 Abs. 2 und 181 Abs. 2 StGB samt entsprechender

Begriffsbestimmung in § 74 Abs. 1 Z 11 StGB vorgeschlagen wird.

ee) Die Produktion, Einfuhr, Ausfuhr, das Inverkehrbringen oder die Verwendung von Stoffen,

die zum Abbau der Ozonschicht führen, war bisher durch das Chemikaliengesetz 1996

verwaltungsrechtlich sanktioniert. Entsprechend Art. 3 lit. i der Richtlinie sollen diese Tathandlungen

nunmehr in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden (§§ 177d und 177e StGB).

Zusammenfassend werden folgende Maßnahmen vorgeschlagen:

- Erweiterung der Begriffsbestimmungen in § 74 Abs. 1 StGB hinsichtlich der Begriffe „Lebensraum

innerhalb eines geschützten Gebiets“ (Z 11), „geschützte wildlebende Tierart“ (Z 12) und

„geschützte wildlebende Pflanzenart“ (Z 13);

- Anpassung des § 177b Abs. 1 bis 3 StGB;

- Schaffung eines Straftatbestandes über den unerlaubten Umgang mit Stoffen, die zum Abbau der

Ozonschicht beitragen (§§ 177d und 177e StGB);

- Erweiterung der §§ 180 Abs. 2 und 181 Abs. 2 StGB;

- Modifizierung und Erweiterung des § 181b StGB;

- Einführung von Tatbeständen gegen die „Schädigung des Tier- oder Pflanzenbestandes“ (§§ 181f

und 181g StGB).

2. Änderungen der Strafprozessordnung

Im Zusammenhang mit der Einführung der §§ 177e und 181g StGB wird entsprechend den bisherigen

Regelungen in § 30 1 Z 5 bis 8 StPO die Aufnahme dieser Bestimmungen in den Katalog jener Delikte, die trotz ihrer Strafdrohung nicht in die sachliche Zuständigkeit der Bezirksgerichte fallen, vorgeschlagen

(§ 30 Abs. 1 Z 5a und 8a StPO).