23.10.2004 Gesetzgebung

Ministerialentwurf: Bundesgesetz über Patienten/Patientinnenverfügungen (Patienten-/Patientinnenverfügungen-Gesetz - PvG)


Mit dem vorliegende Gesetz soll zum einen Patienten/Patientinnen aufgezeigt werden, in welcher Form und mit welchem Inhalt eine verbindliche Patienten-/Patientinnenverfügung errichtet werden kann. Zum anderen soll für Ärzte/Ärztinnen in der Praxis klar und leicht erkennbar sein, in welchen Fällen sie von einer rechtlich verbindlichen Patienten-/Patientinnenverfügung auszugehen haben -sodass sich aus der Anwendung oder Unterlassung einer Behandlung keine haftungsrechtlich relevanten Vorwürfe ergeben können - und in welchen Fällen sie auf die Wünsche des Patienten/der Patientin ohne rechtliche Bindung im Sinne einer Orientierungshilfe bei der Ermittlung des mutmaßlichen Patientenwillens Bedacht zu nehmen haben.

Das Bundesgesetz über die Regelung von Patienten-/Patientinnenverfügungen (Patienten-/Patientinnenverfügungen-Gesetz) enthält Regelungen zu folgenden wesentlichen Bereichen: -allgemeine Gültigkeitserfordernisse und Formerfordernisse, -Regelungen bezüglich der Gültigkeitsdauer, -besondere Voraussetzungen für eine Bindungswirkung von Patienten-/Patientinnenverfügungen, -Klärung der Wirkung von gültig errichteten, aber nicht verbindlichen Patienten-/Patientinnenverfügungen

Die Regelung der Patienten-/Patientinnenverfügungen ist in einem rechtlichen Spannungsverhältnis angesiedelt, das sich zwischen dem Verbot der eigenmächtigen Heilbehandlung gemäß § 110 StGB als Ausdruck der Selbstbestimmung des Patienten/der Patientin und den Verboten einer Tötung auf Verlangen und einer Mitwirkung am Selbstmord (§§ 77, 78 StGB) entfaltet.Es ist heute unbestrittene Meinung, dass es dem selbstbestimmungsfähigen Patienten überlassen ist, im von ihm bewusst erlebten Bedarfsfall medizinische Maßnahmen in Anspruch zu nehmen oder solche abzulehnen. Das Persönlichkeits- und Patientenrecht auf Selbstbestimmung garantiert dem Kranken, dass er nur in dem Ausmaß und nur so lange ärztlich versorgt wird, als er es will. Die Entscheidung des Patienten, welche Untersuchung und Behandlung er wünscht oder nicht wünscht, ist rechtlich verbindlich; der Arzt muss dieser Entscheidung folgen, auch wenn er sie persönlich nicht teilt. Dies gilt auch dann, wenn ein Eingriff medizinisch dringend erforderlich ist und der Patient ohne ihn sterben würde. Wenn der Patient nach einer entsprechenden Aufklärung durch den Arzt in Kenntnis aller Folgen eine ärztliche Behandlung bzw Weiterbehandlung ablehnt, endet die Pflicht des Arztes zur Behandlung. Die Patientenautonomie bildet somit eine absolute Behandlungsgrenze. Wer jedoch krankheitsbedingt in einen Zustand der Entscheidungs- oder Kommunikationsunfähigkeit gerät, unterliegt zwangsläufig einer Fremdbestimmung. Verbleibt für eine Sachwalterbestellung wegen der Dringlichkeit der medizinischen Maßnahme keine Zeit, muss der Arzt den mutmaßlichen Patientenwillen ergründen. Aufgrund der im modernen Klinikalltag oft nur sehr begrenzten Erkenntnismöglichkeiten, diesen hypothetischen Willen zu ergründen, wird sich die Entscheidung häufig notgedrungen am objektiv verstandenen Interesse des Patienten orientieren, was im Einzelfall dazu führen kann, dass ein etwaiger anderslautender Patientenwille unbeachtet bleibt. Hier bietet die Patienten-/Patientinnenverfügung die Möglichkeit, vorausschauend den eigenen Willen zu artikulieren. Mit dem vorliegenden Gesetz soll Patienten aufgezeigt werden, in welcher Form und mit welchem Inhalt eine verbindliche Patienten-/Patientinnenverfügung errichtet werden kann oder wann sie nur das Ziel verfolgt, dass die Wünsche des Patienten als Orientierungshilfe in ärztliche Entscheidungen einfließen.Umgekehrt muss auch für Ärzte in der Praxis klar und leicht erkennbar sein, wann eine gültige Patienten-/Patientinnenverfügung vorliegt und in welchen Fällen sie von einer rechtlich verbindlichen Patienten-/Patientinnenverfügung auszugehen haben, sodass sich aus der Anwendung oder Unterlassung einer Behandlung keine haftungsrechtlich relevanten Vorwürfe ergeben können. Gleichermaßen muss deutlich sein, dass bzw wann Ärzte auf Wunsch des Patienten ohne rechtliche Bindung im Sinne eines Indizes bei der Ermittlung des mutmaßlichen Patientenwillens Bedacht zu nehmen haben.

Die Begutachtungsfrist endet am 5. November 2004.