16.05.2004 Gesetzgebung

Ministerialentwurf des BMJ zur Zivilverfahrens-Novelle 2004


Wer glaubt, dass die österreichischen Gerichte Vorreiter bei der Umsetzung von Bürgerrechten sind, wird durch die Materialien zu dieser Novelle eines besseren belehrt, denn (erst?) mit diesem Entwurf sollen die Vorgaben des DSG 2000 auch im Bereich der Gerichtsbarkeit umgesetzt werden (§ 83 GOG neu).

Die nach dem DSG 2000 zustehenden Rechte auf Auskunft, Richtigstellung und Löschung sollen künftig vor dem Gericht geltend zu machen sein, das die Eintragung der Daten veranlasst hat. Bei Grundrechtsverletzungen durch Organe der Gerichtsbarkeit soll der Betroffene künftig eine Beschwerdemöglichkeit an das übergeordnete Gericht haben. Diese ist allerdings nur auf Feststellung der Datenschutzverletzung gerichtet. Kann er konkret dadurch entstandene Schäden nachweisen, wird er zu deren Ersatz also (jedenfalls nach Meinung der Autorin) auf die allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze und Zuständigkeiten des Schadenersatz- bzw. Zivilprozessrechts verwiesen. Die Beschwerde ist jedenfalls ein Jahr ab Kenntnis der Verletzung einzubringen - es ist eine absolute Verjährungsfrist von 3 Jahren vorgesehen.

Ferner dient dieser Entwurf der Umsetzung einer EU-Richtlinie (RL 2003/8/EG des Rates über grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe).

Hier werden in Zukunft auch die Anreisekosten der Partei ersetzt, wenn deren Erscheinen vor Gericht unbedingt erforderlich ist (wörtl.: "wenn das Gericht ihre persönliche Anwesenheit anordnet"). Die Verfahrenshilfe durch Beigabe eines Rechtsanwalts soll künftig ausdrücklich auch die vorprozessuale Rechtsberatung im Hinblick auf eine außergerichtliche Einigung umfassen.

Die Bezirksgerichte sollen als Übermittlungsstellen für Anträge auf Verfahrenhilfe für ein im EU-Ausland zu führendes Verfahren werden. Sie helfen bei der Antragstellung und leiten die Anträge an das ausländische Gericht weiter.

Weitere inhaltliche Änderungen wären folgende:

- Ermöglichung von Musterprozessen durch die in § 29 KSchG genannten Verbände für abtretbare Ansprüche aller Art

- Regelungen zur Führung der gerichtsinternen Register und Schaffung eines Rechts auf Einsichtnahme. Dies soll Informationen über den Geschäftsanfall und den Verfahresstand der zu verhandelnden Fälle geben

- Neuregelung des Versäumungsurteils (VU): generell wird ein VU (auch künftig) über Antrag des Gegners der säumigen Partei erlassen werden - wird weder ein Antrag gestellt noch ein neues Vorbringen erstattet, so tritt aber Ruhen des Verfahrens ein. Stellt der Gegners des Säumigen keinen Antrag auf ein VU, weil er weiteres Vorbringen erstatten will, so wird der Säumige davon verständigt - bleibt er weiter säumig, so wird das neue Vorbringen seines Gegners im VU berücksichtigt.

- Bestimmungen zur Einschränkung der Senatsgerichtsbarkeit I. Instanz. So soll die Gerichtsbarkeit bei den Landesgerichten und dem HG Wien (außer im Falle abweichender Regelungen) in I. Instanz generell durch Einzelrichter ausgeübt werden. Wird aber das LG in Handelssachen oder das HG Wien in Rechtssachen, deren Streitwert über Euro 50.000,-- liegt, tätig, so hat über Antrag einer Partei ein Dreiersenat (davon 1 Laienrichter aus dem Handelsstand) Recht zu sprechen. Wird die Klage im laufenden Verfahren wertgrenzenrelevant eingeschränkt, so wird das weitere Verfahren durch den Vorsitzenden oder das durch die GO dazu bestimmte Senatsmitglied weiter geführt. Klagsausdehnungen sind für die Gerichtsbesetzung irrelevant, da der Antrag in der Klage oder der KB gestellt werden muss.

- Zuständigkeitsvorschrift für Klagen aus einer dem CMR unterliegenden Beförderung. Hier wird auch das Gericht des Sprengels zuständig, in dem der Ort der Warenübergabe oder der für die Ablieferung bestimmte Ort liegt.

- Neufassung der Bestimmung über die Einsichtnahme in die Geschäftsbehelfe des Exekutionsverfahrens. Künftig sollen Rechtsanwälte, Notare und Körperschaften des öff. Rechts automatisationsunterstützt in Namensverzeichnisse, die Register über Pfändungen und die der Vermögensverzeichnisse u.a. Einsicht nehmen, wenn sie diese Daten zu Prozessführung brauchen.

- Klarstellungen im Bereich der Geschäftsverteilung

- Bestimmungen über den Einsatz von Videotechnologie bei der Einvernahme von Zeugen, Parteien und Sachverständigen anstelle deren Einvernahme durch einen ersuchte Richter (§ 91a GOG neu)

- Genauere Regelungen und Überprüfungsnormen für die Gewährung der Verfahrenshilfe

Durch diesen Entwurf würden die JN, die ZPO, die EO, das GOG, das BG zur Durchführung des Europäischen Übereinkommens vom 27. Jänner 1977 über die Übermittlung von Anträgen auf Verfahrenshilfe, das GrundbuchsumstellungsG (GUG), das FBG, das GerichtsgebührenG, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962 und das RATG geändert. Ende der Begutachtungsfrist ist der 15. Juni 2004.