15.11.2003 Gesetzgebung

Ministerialentwurf des BMJ für ein Bundesgesetz zur europaweiten justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen (EU-JZG)


Mit dem vorliegenden Entwurf soll in erster Linie der Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl (hier kurz: EUHB) durch ein eigenes Bundesgesetz umgesetzt werden.

Österreicher können frühestens ab dem 01.01.2009 an andere Staaten übergeben werden. Auf Straftaten, die vor dem 07.08.2002 begangen wurden, wird der Europäische Haftbefehl nicht angewendet werden.

Weiters sollen die Einrichtungen EUROJUST und Europäisches Justizielles Netz (EJN) (3. und 4. Abschnitt des IV. Hauptstücks) gesetzlich vorgesehen und geregelt werden. Die Umsetzung der bereits bestehenden Rahmenbeschlüsse über Gemeinsame Ermittlungsgruppen und Vollstreckung von Sicherstellungsentscheidungen wird vorgeschlagen.

Die zur Zeit nicht geregelte verdeckte Ermittlung und die kontrollierte Lieferung (5. und 6. Abschnitt des IV. Hauptstücks) sollen im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten gesetzlich ermöglicht werden, wenn im ersuchenden Mitgliedstaat bereits ein Straf- oder Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist.

Der Entwurf gliedert sich grob in 4 Hauptstücke, von denen das erste die Allgemeinen Bestimmungen enthält, das zweite den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedsstaaten, das dritte die Vollstreckung ausländischer Entscheidungen und das vierte Hauptstück die Rechtshilfe regelt (hiermit wird das Europäische Rechtshilfeübereinkommen umgesetzt).

Grundlegende Erwägungen des Entwurfs:

Mit dem Entwurf wird eine einheitliche Grundlage für die Zusammenarbeit in Strafsachen zwischen den Mitgliedsstaaten und die materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Auslieferung und die Rechtshilfe zwischen den Justizbehörden geschaffen - die bisherigen Verfahrensvorschriften werden beibehalten.

Zur Zeit findet die strafrechtliche Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten auf Basis des Art 34 Abs 2 EU-V - also aufgrund von (Rahmen)beschlüssen des Rates sowie aufgrund völkerrechtlicher Übereinkommen statt. Vor allem die Rahmenbeschlüsse werden immer nur zu einzelnen Regelungsbereichen erlassen, wodurch sie sich regelmäßig mit völkerrechtlichen Normen überschneiden - andererseits gibt es immer wieder Regelungslücken - mit einem Wort: ein ziemliches Tohuwabohu - damit soll Schluss sein.

Auch der vom Konvent vorgelegte Entwurf über eine Europäische Verfassung sieht eine justizielle Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten aufgrund von Rahmengesetzen vor - deshalb werden auch künftig Rechtsakte zur strafrechtlichen Zusammenarbeit ergehen, wobei den Mitgliedsstaaten die Wahl der Mittel zur Erreichung der vorgegebenen Ziele bleiben soll - die Umsetzung in Österreich wird dann durch Änderungen des hier entworfenen Gesetzes geschehen.

Zu den wichtigsten Regelungsbereichen im einzelnen:

Der Europäische Haftbefehl (EUHB):

Es wurde zum ersten Mal versucht, ein umfassendes Regelungsgebiet - nämlich die Auslieferung - in einem Rahmenbeschluss zu regeln. Dieser ist bis 31.12.2003 umzusetzen.

Die Mitgliedsstaaten haben sich verpflichtet, ab Jänner 2004 die völkerrechtlichen Auslieferungsregeln nicht mehr anzuwenden.

!!! § 12 ARHG, der im Verfassungsrang steht, verbietet bisher die Auslieferung österreichischer Staatsbürger. Deshalb kann Österreich (als Ergebnis seiner Vorbehalte) die Auslieferung seiner eigenen Staatsbürger bis Ende jedenfalls 2008 ablehnen, wenn die Tat nach österreichischem Gesetz nicht gerichtlich strafbar ist.

Regelungsschwerpunkte:

- Der EUHB muss die justizielle Entscheidung einer Justizbehörde des Ausstellungsstaates sein- Abkehr vom Begriff der Auslieferung- Einführung des Systems der Vollstreckung des EUHB durch das Übergabeverfahren- Ergänzungen der Bestimmungen des Auslieferungs- und RechtshilfeG (ARHG) durch Sonderbestimmungen über die Übergabe zwischen den Mitgliedsstaaten- Vermeiden von Verweisen auf das AHRG und den Rahmenbeschluss bei den materiellen Regelungen über die Voraussetzungen für eine Übergabe (diese sollen sich allein aus dem neuen Gesetz ergeben)- Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung strafrechtlicher Entscheidungen durch Abschaffung des förmlichen Auslieferungsverfahrens- Grundsatz der beiderseitigen gerichtlichen Strafbarkeit - Festhalten an einem Gerichtsverfahren zur Feststellung der Vollstreckbarkeit des EUHB - das Verfahren richtet sich weitgehend nach dem ARHG idF des StRÄG 2003 (hier wird doch auf das ARHG verwiesen). Inhaltlich stellt das Übergabeverfahren also ein auf gerichtliche Ebene verlagertes Auslieferungsverfahren dar- Verpflichtung zur Vollstreckung bei Vorliegen der Voraussetzungen- Auflistung von Delikten, bei denen die gegenseitige Anerkennung nicht mehr geprüft werden darf (Anhang) - es handelt sich hier um Delikte, die nach dem Recht des den EUHB erlassenden Staates mit einem Höchstmaß einer mind. 3jährigen Freiheitsstrafe oder ebenso langen vorbeugenden Maßnahme bedroht sind (!!! Hier berechtigt auch das Fehlen der beiderseitigen Strafbarkeit NICHT zur Ablehnung der Vollstreckung - ansonsten gilt weiterhin der Grundsatz der beiderseitigen gerichtlichen Strafbarkeit)- Festlegen des zu verwendenden Formblattes im Anhang des Gesetzes - dadurch wird auch formal die Einhaltung der Mindestvoraussetzungen garantiert- Vorsehen einer vereinfachten Übergabe bei Zustimmung des Betroffenen- Konzentration des Verfahrens beim Untersuchungsrichter- Entscheidung über die Vollstreckung jedes EUHB durch Beschluss

Die wichtigsten Ablehnungsgründe (Gründe zur Verweigerung der Vollstreckung des EUHB)

- wenn die Tat (teilweise) auf österreichischem Territorium begangen wurde- bei Verstoß gegen den Grundssatz "ne bis in idem", was u.a. dazu führt, dass die Vollstreckung abgelehnt werden kann, wenn der Betroffene in Österreich wegen der selben Tat strafrechtlich verfolgt wird (Stichtag = Tag der Entscheidung über die Vollstreckung)- wenn die inländischen Behörden das Strafverfahren wegen der selben Tat nicht einleiten oder einstellen, sofern österreichische Gerichtsbarkeit gegeben war- Unzulässigkeit der Vollstreckung bei Strafunmündigkeit- bei Verjährung oder Amnestie

Es wird auch eine Norm eingeführt, wonach die Vollstreckung bei Abwesenheitsurteilen an die Bedingung der Möglichkeit zur Wiedereinsetzung geknüpft wird - umgekehrt besteht die Verpflichtung zur Vollstreckung bei fiskalischen Straftaten gegen ausländische Staatsangehörige, wenn die Tat nach dem Recht des Ausstellungsstaates mit mind. 12 Monaten Freiheitsstrafe bedroht ist (auch wenn keine entsprechende inländischen Strafbarkeit vorliegt)

EUROJUST:Die EUROJUST wurde mit Ratsbeschluss vom 28.02.2002 zur Bekämpfung der schweren Kriminalität eingerichtet - Österreich hat bereits eine Richterin entsandt.

Regelungsschwerpunkte:

- Gesetzliche Regelung des Auswahl- und Ernennungsverfahrens des österreichischen Mitglieds der EUROJUST- Festlegung der Kompetenzen des österreichischen Mitglieds (ÖM)- Organisatorische Zuteilung unter den BMJ und Weisungsgebundenheit- Bindung an die fachlichen Weisungen des Staatsanwalts beim unmittelbaren Geschäftsverkehr zwischen dem ÖM und der Staatsanwaltschaft- Selbständiges Stellen von Rechtshilfeersuchen des ÖM über Weisung der StA- Verankerung der Kontaktstellen im Gesetz sowie Regelung ihrer Befugnisse- Regelung der Vollstreckung von Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln - Gänzliche Umsetzung der bestehenden Rahmenbeschlüsse der EU

Die Begutachtungsfrist endet am 5. Dezember 2003.